Blog über Carl Huter´s Original-Menschenkenntnis & Kallsiophie, nichtakademisch, im aktuellen Kontext.

Freitag, 27. Januar 2012

125 JAHRE EIFFELTURM. MALTESERKREUZ. DIE ZEITMASCHINE. (CHZA1)

Bauarbeiten für das Pariser Wahrzeichen begannen vor 125 Jahren

Der Pariser Eiffelturm wurde anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Französischen Revolution und der aus diesem Grund abgehaltenen Pariser Weltausstellung 1889 errichtet. Er wurde am 31. März 1889 fertiggestellt, die Bauzeit betrug nach Angaben der Société d´Exploitation de la Tour Eiffel 2 Jahre, 2 Monate und 5 Tage. Die ersten Aushubarbeiten begannen am 28. Januar 1887, also vor genau 125 Jahren. Am 15. Mai 1889, neun Tage nach Eröffnung der Weltausstellung, wurde auch der Eiffelturm eröffnet. Der Turm ist nach dem französischen Ingenieur Gustave Eiffel (* 15. Dezember 1832 in Dijon, † 27. Dezember 1923 in Paris) benannt, dessen Firma ihn erbaut hat. Seine beiden Ingenieure Émile Nouguier (* 17. Februar 1840 in Paris, † 20. Februar 1898 in Paris) und Maurice Koechlin (* 8. März 1856 in Bühl, Elsass, † 14. Januar 1946 in Veytaux, Schweiz) hatten die Idee zu dem Turm, und der Architekt Stephen Sauvestre (* 26. Dezember 1847 in Bonnétable, † 1919) wurde beauftragt, ein Konzept zu erstellen.

Eiffelturm (la tour Eiffel)

2010 haben 6,7 Millionen Menschen den Eiffelturm besucht, was durchschnittlich mehr als 18.000 Besuchern täglich entspricht. Entsprechend lang können die Warteschlangen vor den Aufzügen und Treppen sein. Für die Treppe bis zur zweiten Aussichtsplattform sind augenblicklich 4,70 Euro Eintritt zu zahlen, für den Aufzug zum Obergeschoss des Eiffelturms ist man mit 13,40 Euro dabei, ab dem 1. April werden die Eintrittspreise „angepasst“. Im Winter kann man auf der ersten Aussichtsplattform in 57 Metern Höhe auf einer 200 m² großen Eisfläche sogar Eislaufen.


Die Zeit der Kinematographie

1. Paris qui dort Seinen ersten Film hat der französische Filmregisseurs René Clair 1923 gedreht, er trägt den Titel «Paris qui dort»1.

Der Inhalt dieses ziemlich verrückten Films ist schnell erzählt. Der Nachtwächter auf dem Eiffelturm stellt eines Morgens fest, dass Paris, also die Welt um ihn herum, stillsteht, nichts scheint sich zu bewegen. Er steigt vom Turm herab und läuft an Menschen vorbei, die in ihrer Bewegung angehalten sind. Nur eine Gruppe von Passagieren, die gerade mit einem Flugzeug gelandet sind, streift wie er «lebendig» in Paris umher. Allein auf der Welt haben sie gemeinsam viel Spaß, der schließlich nachlässt, als niemand da ist, der das Geld, das sie auf der Bank einfach «abgehoben» haben, entgegen nehmen kann. Sie ziehen sich auf die Spitze des Eiffelturms zurück, wo sie per Funk einen Hilferuf empfangen und sich sofort auf den Weg machen, um eine junge Dame zu befreien, die von ihrem Vater, dem Professor, der mit seiner Maschine die Welt angehalten hat, in ihrem Zimmer eingesperrt worden war. Alle zusammen zwingen sie den Professor, mit seiner Maschine die Welt wieder in Bewegung zu versetzen, was dieser ursprünglich gar nicht vorgesehen hatte.

Die Vorstellung vom entropischen Ende der Welt, die vollkommen zum Stillstand gekommen oder erstarrt ist, hat die Fantasie der Zeitgenossen eines physikalischen Weltbildes beschäftigt, das bei allem Fortschrittsglauben an die Dynamik der Moderne immer auch von der Angst, dass die Energie des Lebens einmal schwinden könnte, begleitet wurde.

In diesem Film jedoch ist die Ursache des Stillstands eine andere. Das Töchterlein des Professors erklärt ihren Befreiern, dass ihr Vater eine Maschine gebaut hat, mit der er Strahlen ausgesendet hat, die die Welt angehalten haben. Auf einer Skizze ist zu sehen, wie diese Strahlen wie von einem Springbrunnen vom Haus des Professors aus über die Umgebung sprühen.

Außer Reichweite über den Strahlen waren der Nachtwächter auf dem Eiffelturm und die Passagiere im Flugzeug, weshalb sie nicht wie die anderen erstarrt sind. Als der Hebel der Maschine wieder umgelegt wird, setzt die Welt ihre Bewegung an der Stelle fort, an der sie angehalten hat.

Ein Kollege des Professors kommt zu Besuch, und beide streiten sich um den Apparat, der Hebel geht hin und her, die Welt stoppt, beschleunigt, läuft rückwärts, um endlich wieder den normalen Gang der Dinge herzustellen.

Video 1 Die Strahlen, Video 2 Der Apparat

Der Apparat des Professors, der mit seinem Hebel eigentlich aussieht wie der Hebel, mit dem ein Karussell in Gang gesetzt und angehalten werden kann, sendet Radiowellen aus, die denen entsprechen, die auch mit der Funkanlage des Eiffelturms gesendet und empfangen werden konnten.

Als Funkstation spielte der Turm eine bedeutende Rolle für die globale Zeitkoordination mittels Radiowellen zu Beginn des 20.Jahrhunderts.

Noch 1903 war geplant, den Eiffelturm abzureißen, danach, ab 1909 kam ihm jedoch eine wichtige Rolle als Sender zu, der präzise Zeitsignale funkte, nach denen sich der Gleichtakt der Uhren weltweit richten sollte, was seinen Bestand gerettet hat.2

Der Professor brauchte also nur das Zeit-Synchronisations-Signal zu manipulieren, und schon standen die Uhren der Welt still, gingen rückwärts oder die Zeiger rasten unkoordiniert.

In der industriellen Moderne klingt es gar nicht so unwahrscheinlich, dass die Welt anhält, wenn man die Uhren anhält.

Der Film indes bedient sich der zusätzlichen Rückkoppelung der Zeit an die Bewegung, d.h. der Verbindung der Uhr, die die Zeit zeigt, mit dem kinematographischen Apparat, der Bewegung darstellt -oder eben auch nicht.

René Clair stellt diesen Zusammenhang in seinem Film folgendermaßen dar: Am Anfang sieht der Nachtwächter auf dem Eiffelturm, nachdem er erstaunt die Bewegungslosigkeit tief unter sich festgestellt hat, auf seine Taschenuhr, dann, wie zur Kontrolle, hinauf zur Funkantenne seines Turmes.

Die Ablösung für ihn kommt nicht, er wartet aber noch eine Weile, was durch das schnelle Drehen der Zeiger seiner Taschenuhr als beschleunigte Zeit symbolisiert wird. Dann steigt er herab zum Straßenniveau, wo sämtliche Uhren stehen geblieben sind.

Die angehaltene Bewegung der durch den Apparat des Professors still gestellten Welt ist unterschiedlich begründet, es gibt zwei Arten von Bewegungslosigkeit.

So lange die kleine Gruppe der Überlebenden durch Paris läuft, müssen die Menschen, an denen sie vorbeikommen, die Luft anhalten und in Posen verharren wie ihre eigenen tableaux vivants.

Andernfalls hätten die Filmaufnahmen der Bewegungslosigkeit und die der Bewegung getrennt aufgenommen und zum Beispiel vor einer Rückprojektion wieder zusammenkopiert werden müssen.

Hier sollen Bewegungslosigkeit und Bewegung in derselben Szene vorfilmisch, also vor derselben Kamera dargestellt werden.

Als uns später die Wirkung gezeigt wird, wenn der Professor den Hebel seiner Maschine umlegt, dann sehen wir Pariser Straßenszenen im Zeitraffer bei der Beschleunigung, in Rückwärtsbewegung bei rückwärts laufendem Film oder als «angehaltener Film», wenn es um Bewe-gungslosigkeit geht.

In diesem apparativen Fall wird Bewegung, bzw. Bewegungslosigkeit nicht vorfilmisch/szenisch dargestellt, sondern es wird in die (apparative) Darstellung von Bewegung selbst eingegriffen.

Dabei stellt der Film offenbar eine Analogie zwischen dem Mechanismus der Uhr und ihrer Darstellung der Zeit und dem kinematographischen Apparat und dessen Darstellung von Bewegung her.

Das Thema Zeit war zum Beginn des 20. Jahrhunderts in Wissenschaft und Technik und entsprechend in der Alltagskultur außerordentlich virulent. Kleinste Bewegungen sollten zeitlich erfasst und vergleichbar werden; die geopolitische Aufgabe der Vermessung der Welt benötigte den Maßstab der synchronisierten Zeit, die wiederum geopolitisch auf dem Globus verteilt werden musste. Der Code für die weltweit gemeinsame Zeit war die Gleichzeitigkeit, die per Funkstrecke an allen Orten der Welt hergestellt wurde:

Auf ein Signal hin, das zum Beispiel vom Eiffelturm aus gesendet wurde, wurden überall in der Welt die Uhren auf denselben Zeitpunkt eingestellt, der allerdings in den verschiedenen Zeitzonen gleichzeitig eine unterschiedliche Zeit bedeutete.

Gleichzeitigkeit wurde als «simultanéisme» das Zauberwort der futuristischen Kunst, mit dem sie – paradox genug – die neue Beschleunigung der modernen Zeit durch die neuen Kommunikationsmedien kennzeichnete (und mit traditionellen künstlerischen Mitteln der Malerei und der Skulptur darstellte).

Heute kann man sich eine so abstrakte technisch induzierte Tatsache wie «Gleichzeitigkeit» gut vorstellen, wenn man an die globale Fernsehübertragung zum Beispiel der Olympischen Spiele denkt:

Weltweit sitzen Millionen von Menschen (zu unterschiedlichen Zeiten) «gleichzeitig» vor dem Bildschirm und sehen dasselbe Ereignis an jedem verstreuten Winkel der Erde.

[OLYMPISCHE SPIELE 2012 IN LONDON]

Gleichzeitigkeit ist dann die globale Einbildung der Welt in ihrem zeitgleich empfangenen Bild. Darauf komme ich am Schluss unter dem Stichwort «live»-Übertragung noch einmal zurück.

Am Beginn des 20. Jahrhunderts ist Gleichzeitigkeit die Vorstellung der modernen Zeitgenossen, an denselben beschleunigten Puls der Zeit angeschlossen zu sein, der von den synchronisierten Zeigern aller Institution des Migros-Kulturprozent Uhren der Welt vorgegeben wird.

Ihre Ziffernblätter sind die ersten vernetzten und per Funk synchronisierten Monitore der modernen Welt und die Taschenuhren die ersten Massenmedien, die ihre Nutzer mit demselben Programm synchronisierter Zeit gleich-zeitig untereinander verbinden.3

Taschenuhren begleiten die Bewegungen ihrer Träger und synchronisieren sie, indem sie zu jeder Zeit ihren gemeinsamen Zeitpunkt angeben.

Es gibt sie (mit Federantrieb) seit dem frühen 16. Jahrhundert, seitdem wurden ihr Träger «unmittelbarer als zuvor an die Uhrzeit gebunden.

Von jetzt an gibt es tendenziell keinen sozialen Raum mehr, der nicht der Kontrolle durch Uhren unterliegt.»4

Lewis Mumford sieht die Uhr im Zentrum der Moderne: «Die Uhr, nicht die Dampfmaschine, ist die Leit-(key) Maschine des modernen industriellen Zeitalters. […]

Darüber hinaus diente die Uhr als Modell für viele andere Arten mechanischer Werke.

Die Analyse von Bewegung, die die Perfektionierung der Uhr begleitet hat mit ihren Entwicklungen verschiedener Typen der Übersetzung (Schaltung) und Transmission, trug zum Erfolg ganz unterschiedlicher Arten von Maschinen bei. […]

Darüber hinaus ist die Uhr ein Stück Kraft-Maschine (power-machinery), deren «Produkt» Sekunden und Minuten sind:

ihr ist wesentlich, dass sie die Zeit loslöst von menschlichen Ereignissen und dabei hilft, den Glauben in eine unabhängige Welt mathematisch messbarer Sequenzen zu kreieren.»5

Und Georg Simmel stellt die Taschenuhren dem Geld als «symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien» (Luhmann) an die Seite.

Im Chaos der Großstadt kommt in das Verhältnis aller Lebenselemente eine Präzision, «wie sie äußerlich durch die allgemeine Verbreitung der Taschenuhren bewirkt wird. […]

Wenn alle Uhren in Berlin plötzlich in verschiedene Richtung falsch gehen würden, auch nur um den Spielraum einer Stunde, so wäre sein ganzes wirtschaftliches und sonstiges Verkehrsleben auf lange hinaus zerrüttet. […]

So ist die Technik des großstädtischen Lebens überhaupt nicht denkbar, ohne dass alle Tätigkeiten und Wechselbeziehungen aufs pünktlichste in ein festes, übersubjektives Zeitschema eingeordnet würden.»6

Wenn er die Welt – und das ist zuerst die dynamische Welt der Großstadt – durcheinander bringen, sie beschleunigen, anhalten oder rückwärts laufen lassen will, braucht der Professor in René Clairs Film tatsächlich nur in dieses «feste, übersubjektive Zeitschema» einzugreifen, das vom Eiffelturm aus gesteuert und auf den Taschenuhren dargestellt wird.

Die beiden Professoren, die an der Zeitmaschine um den Hebel, mit dem die Welt angehalten oder beschleunigt wird, kämpfen, sind niemand anderes als Albert Einstein und Henri Poincaré, die beide, Einstein in Genf und Poincaré in Paris, um die Jahrhundertwende an der Synchronisation der Zeit gearbeitet haben.7

Was die beiden im Film anrichten, ist nicht nur ein Chaos in der Zeit, sondern als unmittelbare Wirkung der Manipulation der Zeit auch ein Chaos der Bewegungen.

Ihr Eingriff in die Zeit bewirkt zugleich einen Eingriff in die Bewegungen, das heißt in das Leben der Großstadt Paris (der Welt), die sie in den Schlaf schicken, wenn sie die Uhren anhalten.

In René Clairs Film ist es derselbe Apparat, zugleich Uhr und Kinematograph, mit dem Zeit und Bewegung manipuliert werden können.

Die Frage ist allerdings, ob das, was René Clair uns augenzwinkernd vorführt, auch für den Film und den kinematographi-schen Apparat gilt, mit dem er uns die Manipulation von Zeit und Bewegung im Rahmen der erzählten Geschichte darstellt.

Die zwei Modi der angehaltenen Bewegung in PARIS QUI DORT lassen zunächst die Unterscheidung zu, dass die szenisch dargestellte Bewe-gungslosigkeit (tableaux vivants) unabhängig von ihrer medialen Darstellung ist; Zeitraffer, freeze frame und Rückwärtslauf dagegen entstehen in der Kamera oder auf dem Schneidetisch, sie sind direkt apparativ, also kinematographisch bedingt.

Die Schwierigkeit ist, dass auch diese Darstellung medialer Effekte auf Formen beruht, die uns in einem technisch ganz «normalen» Film gezeigt werden, der hinter dem, was er zeigt, als Medium möglichst unsichtbar bleibt (es sei denn der Film reißt).

2. Zeitmaschine Kinematograph Wenn in den letzten Jahren vermehrt von der «Zeitmaschine Kinematograph»8 die Rede ist, dann kann das zweierlei bedeuten.

Entweder handelt es sich um filmisch dargestellte oder erzählte Zeit, also eine nahe oder ferne Vergangenheit oder Zukunft, die auf der Oberfläche des Films ästhetisch, stilistisch, narrativ etc. vergegenwärtigt und «lebendig» werden können.

Oder aber mit der «Zeitmaschine» ist die mediale Tiefenstruktur, die apparative Konstruktion von Zeit gemeint, die Kinematograph und Uhr als mechanische Werke verbindet - zur Darstellung von Zeit die eine und zur Darstellung von Bewegung der andere und gemeinsam zur Zeit der Bewegung des Films.

Die durch die Uhr dargestellte lineare Zeit wird kinematographisch im Film noch einmal narrativ verzeitlicht, be-schleunigt, verlangsamt, sequenziell umgebaut, verschachtelt, vor und zurück gedreht …

«Die Zeitmaschine» ist der Titel eines Science-Fiction Romans von H.G.Wells, der gleich-zeitig mit dem Kinematographen 1895 veröffentlicht wurde.

Dort handelt es sich um ein Gefährt, das sich selbst nicht bewegt, aber mit einer Borduhr von einem Zeitreisenden in die Vergangenheit oder Zukunft versetzt werden kann.

Diese Uhr zeigt nicht nur Minuten und Stunden wie die Taschenuhr, sondern Jahrhunderte an.

Für den Zeitreisenden und den Kinozuschauer, der die Verfilmung des Romans von George Pal (1959/60) sieht, ist die Zeitreise ein reines Wahrnehmungserlebnis, beide werden bewegungslos durch die erzählte Zeit bewegt, die im Film mit Bildern szenischer Veränderung und Formen der Beschleunigung (Zeitraffer) dargestellt wird.

Wie das mit diesem Apparat geschieht, erfahren wir nicht.

Und wieder dienen die rasend sich drehenden Zeiger einer Uhr zusätzlich als Symbol der beschleunigten Zeit.

Alle Filme sind «Zeitmaschinen», indem sie eine erzählte Zeit von der Zeit ihres Erzählens und der Zeit ihrer Zuschauer im Kino unterscheiden, was jedoch für jede Form des Erzählens gilt, egal in welchem Medium (z.B. im Roman von H.G.Wells).

Etwas Anderes ist es schon, wenn die Maschine zur Manipulation von Zeit in der Erzählung und ihrer filmischen Darstellung selbst eine Rolle spielt wie in René Clairs «Paris qui dort» oder in einem Film von Jean Durand (nach einem Drehbuch von Louis Feuillade) aus dem Jahr 1912 mit dem Titel «Onésime l‘horloger», wo der Nichtsnutz Onésime nicht zwanzig Jahre auf eine Erbschaft warten möchte und auf die Idee kommt, eine Uhr zu konstruieren, die um zwanzig Jahre vorgestellt werden kann, um so die War-tezeit zu verkürzen.

Auch die Zeitmaschine des Zeitreisenden in George Pals Film nach H.G.Wells Roman vertritt gewissermaßen als erzählte Maschine die andere, kinemato-graphische, mit der sie erzählt wird. Man kann sagen, dass die (selbstreferenzielle) Fantasie der Filme für lange Zeit näher an den apparativen Eigenschaften der «Zeitmaschine Kinematograph» ist als die Wissenschaft und Theorie, die bis in die 1970er Jahre Kino und Film als Technik weitgehend ignoriert haben, weil bis dahin die im Film dargestellte Bewegung als bloßes Wahrnehmungsphänomen und subjektiver Eindruck des Zuschauers behandelt wurde.9

(Video 3: Pal, Zeitmaschine)

Henri Bergson, der einen Film im Kino wahrscheinlich nie gesehen hat, hat sich zu Beginn des Jahrhunderts noch sehr wohl mit dem apparativen «Kunstgriff des Kinematographen»10 ausgekannt, mit dem eine Folge bewegungsloser Momentbilder zur Darstellung von Bewegung verbunden werden konnte.

Dann ist der Projektor aus dem Kino hinter einer Feuerschutzwand verschwunden und damit auch das Interesse an seiner Technik.

Geblieben ist die Faszination bewegter Bilder, über die eine französische Zeitschrift am Tag nach der ersten Vorführung des Cinématographe Lumière 1895 in Paris schrieb:

«C‘est la vie même, c‘est le mouvement pris sur le vif.»11 Die Psychophysik der Zeit (Epoche) hatte jede Form induzierter Bewegung als Wahrnehmungseindruck eines getäuschten Auges, das man sich wie eine Camera obscura vorstellte, erklärt.

Filmische Bewegung sollte überhaupt erst im Auge des Betrachters zustande kommen, das die nacheinander projizierten Momentaufnahmen des Films nicht mehr einzeln wahrnehmen könne und sie deshalb zum Eindruck von Bewegung verschwimmen lässt.

Erst am Ende der kinematographischen Geschichte des Films seit den 1970er Jahren ist das Interesse an der apparativen Technik des Kinematographen wieder gestiegen:

Die elektronischen zuerst analog, dann digital hergestellten Filmbilder waren oberflächlich kaum von den mechanisch (fotografisch) hergestellten zu unterscheiden, weshalb der Unterschied mechanisch und elektronisch produzierter Filme von nun an vor allem in ihrer Produktions- und Projektionstechnik zu suchen war.

Die Bewegung elektronischer Bilder war nicht mehr nur als Wahrnehmungseffekt zu erklären, was rückblickend auch die Wahrnehmungstheorie mechanisch induzierter Bewegungsdarstellung hat fragwürdig erscheinen lassen.

Von dem französischen Literaten Jean Louis Baudry12 , der sich einfach mal einen Projektor genauer angesehen hatte, mussten sich die Filmwissenschaftler erklären lassen, aufgrund welcher apparativen Voraussetzungen des Kinematographen es zu bestimmten filmischen («ideologischen») Effekten kam.

Von nun an wird der Kinematograph (mehr oder weniger archäologisch) auch als «Zeit-Maschine» im technischen Sinne des Wortes behandelt.13

Bei Siegfried Zielinski heißt es (2003): «Die weltweit vermarktbare Variante des Kinematographen als optisch-chemisch-mechanischer Apparatur für die Projektion konfektionierter Software wurde in den beiden letzten Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts in einem umfassenden Sinn als Zeitmaschine erfunden.

Das stählerne Herz von Aufnahme- wie Projektionsapparat ist nichts anderes als eine adaptierte Uhr.»14

Die Zeit, die uns die Uhr zeigt, soll sich gerade nicht subjektiver Wahrnehmung verdanken, sondern der Synchronisation sämtlicher mechanischen (später auch elektronischen) Uhrwerke der Welt.

Der Kinematograph als Zeitmaschine würde nichts anderes sein als ein Mechanismus, dessen synchronisiertes Ineinandergreifen von Zahnrädern mit Hilfe von Licht und Fotochemie die Darstellung von Bewegung auf einer Projektionsfläche ermöglicht.

Der Unterteilung der Zeit in Sekunden, Minuten und Stunden, die auf dem Monitor der Taschenuhr vorüberticken, entsprechen die 24 Momentaufnahmen/Sek. des Filmstreifens, mit denen die Kamera vorfilmische Bewegungen unterteilt , um sie mit dem «ratternden» Projektor wieder zur Darstellung kontinuierlicher Bewegung im Bewegungsbild auf der Leinwand zu verbinden.

Auf die Frage, was die Zeit sei, hat Albert Einstein geantwortet: «Zeit ist das, was man an der Uhr abliest»15

Entsprechend ist die Bewegung des filmischen Bewegungsbildes nichts anderes als das, was uns die Leinwand im Kino – und zwar auf der Leinwand - zeigt.

Für den Kinematographen hat Henri Bergson gesagt, damit aus unbewegten Momentfotografien Bewegung wird, muss auch irgendwo Bewegung sein.

«Und in der Tat ist hier die Bewegung durchaus vorhanden, sie steckt im Apparat.»16

Gleiches gilt für den Mechanismus der Uhr, «deren «Produkt» Sekunden und Minuten sind»17.

Die Zeit steckt in der Uhr und der Synchronisation aller Uhren.

Filmische Bewegung steckt im Apparat, der mit allen anderen kinematographischen Apparaten zur Projektion von Bewegungsbildern synchronisiert ist.

Was die Menschen mit ihrer Zeit anfangen, steht auf einem anderen (Ziffern)-Blatt.

Gleiches gilt für die dargestellte Bewe-gung des Kinematographen, mit der schließlich jede beliebige Geschichte erzählt werden kann.

Mit der Uhr, könnte man sagen, rutscht die Zeit in die Funktionale.

Wenn vorher Lebenszeit, Jahresrhythmus, Wechsel von Tag und Nacht weitgehend einer natürlichen Glie-derung unterlag, wird Zeit durch die Uhr immer weiter differenziert und soziokulturellen Bedürfnissen unterworfen.

Zeit wird ein «symbolisch generalisiertes Kommunikations-medium» (Luhmann), das mittels der Uhr funktioniert, d.h. als Uhrzeit hergestellt und dargestellt wird.

Wie der Wert des Geldes muss auch der «Wert» der Zeit für alle, die dadurch in Beziehung gesetzt werden, verbindlich derselbe sein.

Die gemeinsame Zeit aller Uhren muss so weit wie möglich identisch sein.

Uhren müssen die Produktion und Darstellung von Zeit so weit regeln, dass sie berechenbar wird.

Und zu diesem Zweck ist es spätestens im 16. Jahrhundert gelungen, die Arbeit an der Zeit in der Uhr den Gesetzen der Mechanik zu unterwerfen, durch die ganz allgemein unkontrollierte, also nicht nutzbare Energie in Arbeitsenergie verwandelt wird.

Durch den Wechsel von Strom und Einschnitt kann zum Beispiel ein Fluss mittels Schaufeln eines Wasserrades eine Welle antreiben, mit der Korn gemahlen werden kann.

Die Frequenz des Eintauchens ins Wasser bestimmt neben der Strömung, der Größe der Schaufeln etc. mit über die Leistung der Mühle.

Die Mechanik der Uhr, deren Produkt erst die Zeit ist, hat die Aufgabe, die «rohe» Antriebsenergie, also Gewichte, Pendel oder eine Stahlfeder, so zu gliedern, dass sie kontrolliert und ihr Ablauf gleichmäßig wird.

Die Hemmung ermöglicht den Einschnitt in den sonst ungehemmten Energiefluss z.B. einer sich entspannenden Feder und dient so der Selbstregulierung einer Uhr.

«Die Hemmung verzögert oder unterbricht also einen Bewegungsablauf in möglichst gleichmäßigen Abständen.

Sie definiert durch Größe und Abstand der Zähne im Hemm- oder Steigrad vollkommen gleiche Einschnitte in einer Bewegung, die sonst […] diskontinuierlich verlaufen würde.»18

Damit der Gang einer Uhr immer präziser wird, werden die durch die Hemmung abgeschnittenen und aneinander gereihten Zeitstücke immer kleiner, bis ihre Abweichungen unter einander gegen Null gehen.

Das Ticken einer mechanischen Uhr und das ruckweise Vorrücken der Zeiger (z.B. einer Bahnhofsuhr) zeigen die Uhr an der Arbeit der Zeit, die sie in ihrem synchro-nisierten Verlauf Stück für Stück zusammensetzt.

Das Vergehen der Zeit ermisst sich aus der Summe der Differenzen zwischen den in der Uhr produzierten und dargestellten Zeitpunkten, Sekunde nach Sekunde.

Parallel zur Uhr geht es nun darum, das Funktionieren des Kinematographen wie eine «Zeitmaschine» zu beschreiben mit dem Unterschied, dass das Produkt des Kinemato-graphen die Darstellung von Bewegung (in der Zeit) ist.19

Ebenso wenig wie die Uhr einen Strom der Zeit voraussetzt, den sie mit ihrem Mechanismus «verarbeitet» (sie produziert den Verlauf von Zeit, indem sie ihn darstellt), ebenso wenig setzt der Kinematograph äußere Bewegung voraus, die er abbildet und darstellt.

Wohl kann Bewegung durch sich selbst dargestellt werden, um das Bewegte aufzeichnen und als Aufzeichnung wieder-holen zu können, musste sie neu erfunden werden.

Der Kinematograph stellt die Bewe-gung, die er darstellt, selber her, was uns zum Beispiel aus avantgardistischen oder den vielen figurativ-narrativen Animationsfilmen wohl bekannt ist.

Die Bewegung ist nicht nur im Apparat, wie Henri Bergson sagte, sie entsteht dort auch, um dargestellt zu werden.

Die einfachste Bewegung, eine gerade durchgehende Linie, kann auf einem Film ohne Unterbrechung direkt dargestellt werden, weil sie im Verhältnis 1:1 der Bewegung ihrer medialen Darstellung verläuft:

Wir sehen sie manchmal als durchgehende Schramme in einer alten Filmkopie. Jede zeitliche und räumliche Abweichung der dargestellten von der Bewegung ihrer Darstellung erfordert ihre Dekonstruktion durch Segmentierung und ihre anschließende synchronisierte Rekonstruktion.

Die Darstellung von Bewegung als raumzeitliche Veränderung hat es mit einem außerordentlich komplexen Phänomen zu tun, das relativ zu räumlichen Unbewegtheiten selbst aus unterschiedlichen Bewegungen zusammengesetzt sein kann etc.

[Bei der Übertragung digitaler Bewegungsbilder werden, um die Informationsmenge zu reduzieren, Unbewegtheiten im Bild nicht mit übertragen, sondern lediglich wiederholt. Nur Bewegung, d.h. Veränderung, gilt als Information].

Die fotografische Momentaufnahme belässt es bei einem raumzeitlichen Schnitt (und fügt Bewegung bestenfalls als Code durch Unschärfen, «speed lines» etc. wieder ein).

Die fotografische Aufzeichnung von Bewegung im Kinematographen reiht - wie die Uhr die Sekunden - eine Folge derartiger Schnittbilder aneinander, - nun in Hinsicht auf die Darstellung von Bewegung verbunden durch «bewegliche Schnitte», wie Gilles Deleuze das im Anschluss an Henri Bergson genannt hat.20 21

Beweglich ist der Mechanismus in der Kamera («Bewegung ist im Apparat»), die nicht einmal, sondern 24 Mal/Sek. einen Schnitt macht, den der Projektor wiederholt.

Es gibt im Kinematographen keine abgebil-dete Bewegung, die der Apparat einfach wiedergeben würde.

Die Mechanik schaltet in der Kamera für die Aufnahme und analog im Projektor für die Wiedergabe einer Folge von fotografischen Momentaufnahmen ein Bild nach dem anderen vor das Objektiv der Kamera bzw. des Projektors.

Der «Schalter» im Kinematographen entspricht der Hemmung in der Uhr, er sorgt dafür, dass nicht die Bewegung des Filmstreifens (des Mediums) dargestellt wird, sondern die Bewegung des auf dem Film figurativ etc.

Dargestellten, die in der Kamera in kleine Einheiten (24 Bilder/Sek.) zerlegt und mit dem Projektor auf der Leinwand wieder zusammengesetzt werden muss (ganz so wie die Zeit aus Sekunden, Minuten etc.).

Dieser Schalter heißt kinematographisch das «Malteserkreuz».

(Video 4, Hemmung und Malteserkreuz)

3. Kinematographische Darstellung von Bewegung Was ist also kinematographisch hergestellte und dargestellte Bewegung?

Dargestellte Bewegung beruht auf der Differenz zwischen aufeinander folgenden Bildern, die für die Aufnahme oder die Projektion weitergeschaltet werden.

Diese «geschaltete» Differenz er-scheint auf der Leinwand als eine Veränderung zwischen den Bildern, die als Bewegung vom einen zum nächsten wahrgenommen wird.

Werden fortlaufende Bilder geschaltet ohne dass sie sich unterscheiden, also ohne Differenz, wird keine Bewegung dargestellt sondern Bewegungslosigkeit («freeze frame»).

Wie die Zeit von der Uhr dargestellt wird als Fortgang von einer Sekunde zur «anderen», so wird vom Kinematograph Bewegung dargestellt als Fortgang von einem Bild zu einem «anderen» Bild.

Der Schritt von einem Bild zum nächsten, d.h. die Veränderung, kann sehr klein oder sehr groß sein:

Sind die Differenzen sehr klein erscheint die dargestellte Bewegung sehr langsam (Zeitlupe), sind sie sehr groß, erscheint die Bewegung sehr schnell (Zeitraffer), Beschleunigung und Verlangsamung sind jeweils «Formen» kinematographisch dargestellter Bewegung.

Fehlen die Differenzen, so erscheint wie gesagt keine Bewegung.

Bewegung wird im Kinematographen ebenso wie die Zeit in der Uhr nicht «manipuliert», sondern durch ihre Darstellung produziert.22

Auf zwei dominante Vorstellungen im Zusammenhang mit der kinematographischen Darstellung von Bewegung möchte ich noch kurz antworten.

Die eine dieser Vorstellungen beruht auf Abbildungsontologien, wie sie die Mimesis in der Kultur-geschichte repräsentiert hat.

Einer ontologischen Bestimmung der Zeit à la Newton, in deren vorgegebenen Fluss die Uhr mit ihrer Mechanik messend eingreift, steht eine Onto-logie fotografischer Abbildung gegenüber.

Die Spur des Realen, die sich in der Fotografie abdrückt, fügt nach dieser Vorstellung dem fotografischen Film auch die Wirklichkeit ihrer vorausgesetzten Bewegung hinzu.

Der Film bildet dann (wie die Uhr die Zeit) die be-wegte Wirklichkeit ab, bewahrt sie auf und gibt sie in der Projektion wieder.

André Bazin hat dafür die schöne Formel gefunden:

«Die Fotografie profitiert von der Übertragung der Realität des Objektes auf seine Reproduktion. […]

Der Film ist die Vollendung der fotografischen Objektivität der Zeit. […] Zum ersten Mal ist das Bild der Dinge auch das ihrer Dauer, eine sich bewegende Mumie.»23

In diesem Sinne ist die bewegte Wirklichkeit zu ihrer Erinnerung auf einer Filmspule aufgerollt; der Kinematograph als «Zeitmaschine» macht die abstrakte Zeit mit seinen bewegten Bildern anschaulich, er «rettet die Wirklichkeit» (Kracauer) mit seinen Geschichten (récits) hinüber in die Geschichte (histoire).

Es ist diese ontologische Vorstellung von dargestellter Zeit und dargestellter Bewegung des mechanischen Zeitalters, die durch die elektronische Wende nachhaltig erschüttert wurde.

Die andere wesentlich resistentere Vorstellung vom Zustandekommen «des Eindrucks» der kinematographischen Bewegung in der menschlichen Wahrnehmung beruht auf psychophysiologischen Einsichten der Lebenswissenschaften des 19.Jahrhunderts und findet sich heute durch konstruktivistische Theorien des menschlichen Bewusstseins bestätigt.

In jedem Fall argumentieren sie anthropologisch mit Erscheinungen «am Menschen» im Gegensatz zu technischen, industriellen, auch kulturellen Bedingungen in einer «vom Menschen» geschaffenen Umwelt.

Auf die Frage, wie es möglich ist, dass der Kinozuschauer 24 unbewegt projizierte Bilder auf der Leinwand als das Bild einer kontinuierlichen Bewegung sieht, antworten diese Theorien mit dem Unvermögen des menschlichen Wahrnehmungsapparates, bei der für das Auge zu hohen Frequenz von 24 Bildern/Sek. die projizierten Einzelbilder unterscheiden zu können, statt dessen über-lagern sich die Bilder auf der Netzhaut des Auges, die wie eine fotografische Platte in einem Fotoapparat aufgefasst wird, wodurch im Zuschauer der «Eindruck» von Bewe-gung entsteht.

Solche Überlagerungen hatte Marey24 auf seinen Chronophotographien von Bewegungen festgestellt, also mussten sie auch im Auge zu finden sein (allerdings verschwanden diese Überlagerungen ausgerechnet bei höherer Frequenz / schnellerer Bewegung schmalerer bewegter Körper)25.

Die Behauptung, dass das Bewegungsbild auf der Kinoleinwand auf der Täuschung eines unvollkommenen menschlichen Auges beruht, das bei entsprechender Frequenz keine Einzelbilder sondern nur das Ineinander-verschwimmen von deren Nachbildern auf der Netzhaus als Bewegung sieht, ist schon 1912 von Max Wertheimer26 gestalttheoretisch widerlegt worden.

Alleinige Ursache dafür, dass wir keine projizierten Einzelbilder einer Bewegungsfolge sehen, ist die Präzision der Mechanik des Projektors, mit der die Bilder genau übereinander projiziert werden und ihre Schaltung durch eine Flügelblende unsichtbar gemacht wird, wodurch wir nicht mehr die unterschiedlichen Bilder, sondern nur noch ihre dargestellten Unterschiede sehen, die wir als Bewegung wahrnehmen.

Wenn Projektor oder Film «kaputt» sind, sehen wir im «Flicker» durchaus einzelne projizierte Bilder, was als unangenehm empfunden wird.

Die digitale Produktion der Darstellung von figuraler Bewegung kennt dieses Problem nicht mehr, die dargestellte Bewegung ist so «glatt», dass man im Film die typisch kinematographische Anmutung innerer medialer Bewegtheit des Bildes, die durch winzige Verschiebungen zwischen den Bildern entsteht, vermisst und nachträglich «als Störung» hinzufügt.27

Dass die Darstellung von Bewegung «auf» der Kinoleinwand aus der Diffe-renz zwischen den Einzelbildern resultiert ist von dieser Seite nie in den Blick gekommen, weil man nicht gefragt hat, warum überhaupt unbewegte Einzelbilder zur Darstellung von Bewegung erforderlich sind und das Auge angeblich über etwas getäuscht werden muss, was es in der täglichen Wirklichkeit problemlos erkennt, nämlich eine Welt in Bewegung.

4. Zeit als Kinematograph

Die «Zeit des Kinematographen», die auch die Epoche der mechanischen Verbindung zwischen Zeit und Bewegung ist, hat sehr unterschiedliche Bilder für diese Beziehung gefunden.

René Clairs Film «Paris qui dort» hat auf fiktionale Weise gezeigt, dass man die Welt wie einen Mechanismus anhalten, beschleunigen oder rückwärts laufen lassen kann, weil sie derselben Mechanik unterliegt wie ein Kinematograph, der ihre Bewegung beeinflusst und ihre Zeit wie eine Uhr schneller laufen lässt oder anhält.

Der Kosmos und mit ihm die Welt als Uhrwerk ist eine der großen Metaphern des mechanischen Zeitalters.

Zwischen Newton und Leibniz war lediglich strittig, ob die kosmische Uhr von Gott immer wieder aufgezogen werden muss oder einmal in die Welt gesetzt, autonom abläuft.

Der Kosmos als Kinematograph ist eine gigantische Bildermaschine, die das Weltall in Lichtgeschwindigkeit mit Bildern versorgt, die von den Archiven der Planeten aufbewahrt werden.28

Ob kosmische Zeitläufe oder Bilderströme in Lichtgeschwindigkeit, der Hin-tergedanke bei diesen Modellen ist, dass man womöglich in die Mechanismen dieser Zeit- und Bildmaschine eingreifen kann.

Die weltanschaulichen Utopien wurden von ingenieurmäßigen Zeitreisen abgelöst, deren bevorzugtes Vehikel der Kinematograph ist (s.o. H.G.Wells/George Pal).

Oder aber dem technischen Geist des 19.Jahrhunderts ist es gelungen, die Welt ein zweites Mal nach ihrem Bild zu erschaffen und diese zweite Wirklichkeit mit den «lebenden Bildern» des Kinematographen (vorläufig) zu vollenden.

Wieder ist es André Bazin29, der den «Mythos vom totalen Kino» am konsequentesten ausgemalt hat.

Bazins Traum von einem besseren Leben im Kino, den er unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg geträumt hat, hat seine Fortsetzung in den immersiven Programmen der sozialen, interaktiven Netze des Computerzeitalters gefunden («Second Life») – gerade mal sechzig Jahre später.

Dazwischen gibt es eine lange Reihe von Beispielen, in denen davon erzählt wird, wie die Zeit/das Leben im Uhrwerk angehalten30 und die Welt im Kinematographen (um)gesteuert werden kann.

Drei charakteristische Beispiele müssen ausreichen. In dem Remake (Film ist Wiederholung!) von Hitchcocks «Die 39 Stufen» (1935), das Don Sharp 1978 gedreht hat, findet das Finale im Kampf gegen deutsche Attentäter im Glockenturm von Big Ben in London statt.

Die Terroristen (würde man heute sagen) haben im Uhrwerk einen Mechanismus angebracht, der eine furchtbare Explosion auslöst, wenn der Zeiger der Uhr von Big Ben auf 11 Uhr 45 springt.

Dieser ungewöhnliche Zeitpunkt wird sofort plausibel, wenn nun die Rettungsaktion der Polizei beginnt.

Es gilt «die Zeit aufzuhalten». Um zu verhindern, dass der Zeiger, der schon wenige Minuten vor 11.45 Uhr steht, und mit ihm die Zeit fortschreiten, hängt sich einer der Polizisten an den waagerecht (!) stehenden Zeiger und hält so den Mechanismus der Uhr und also die Zeit an – bis die Lage insgesamt unter Kontrolle ist.

Anders als Harold Lloyd, der eine Uhr an einem Hochhaus lediglich als Klettergerät benutzt (Harold Lloyd: Safety last, 1923, parodistische Wiederholung bei den Simpsons in «Der perfekte Sturm», 2006), wird hier mit der Uhr tatsächlich die Zeit angehalten und ein drohendes Ereignis verschoben und schließlich verhindert.

(Video 5: Sharp: Die 39 Stufen, Harold Lloyd: Safety Last, Simpsons)

Einfacher wäre es gewesen, den Film im Projektor anzuhalten, was jedoch technisch problematisch ist; oder besser die Bewegung im Film einzufrieren, was allerdings auf das Problem in René Clairs «Paris qui dort» hinausgelaufen wäre, es gleichzeitig mit einer angehaltenen Bewegung (Zeit) und den fortlaufenden Aktivitäten (Bewegung der Figuren) der Polizei in der Zwischenzeit zu tun zu haben.

Kinematographisch ist die synchronisierte Gleichzeitigkeit verschiedener «tempi und movimenti» nur schwer realisierbar, weil die mediale Form des Kinematographen erfordert, dass der Film seine Bilder, Sequenzen und erzählten Ereignisse sukzessiv darstellt (während das Erzählte unterschiedlich in «flashbacks», «flashforwards» etc. angeordnet sein kann).

Das folgende Beispiel macht die äußere Wirklichkeit unmittelbar zum Programm der Zeitmaschine, die in diesem Fall ein Videorecorder ist (Jochen Haussecker, Marc Schleiss: Video 3000).

Ein Mann namens Rolf stellt fest, dass seine Remote Control nicht seinen neuen Videorecorder in Gang setzt, wohl aber die Realität vor seinem Fenster verändert.

Wie üblicher Weise den Videorecorder kann er alles, was sich vor seinem Fenster bewegt, anhalten, zurück- und vorwärts laufen lassen.

Die Welt ist der Videorecorder, dessen Programm ist die Wirklichkeit. Aber dann wird Rolf von der Versuchung heimgesucht, auszuprobieren, was passiert, wenn er mit power off diesen totalen Videorecorder ausstellt:

Das Bild verschwindet oder implodiert und mit ihm der Videorecorder, Rolf und seine Welt.

(Video 6: Video 3000)

Ohne auf eines der großen Beispiele einzugehen wie «Matrix» (Larry und Andy Wachow-ski, 1999) möchte ich schließlich noch ein Beispiel vorstellen, in dem die kinematographische Zeitmaschine «Welt» unmittelbar bedient wird.

In dem argentinischen Kurzfilm von Bernardo Rao Vieira, Carlos Gomes: Cidade e movimento hebt ein Mann einen Pflasterstein (!) auf und unmittelbar darauf ist jegliche Bewegung, außer der seinen, angehalten.

Durch Drehen des Pflastersteins kann die Wirklichkeit um ihn herum vor- und zurück, schneller oder langsamer bewegt werden, kurz, hier vollbringt ein Stein der Realität, wozu bei René Clair noch ein schwerfälliger Apparat benötigt wurde.

Auch gelingt es dem Mann in diesem Film nicht wie dem Professor bei René Clair, die Welt wieder in Ordnung zu bringen, einmal rückwärts eingestellt, wird es künftig dabei bleiben (Pflaster-stein, gesellschaftliche Verhältnisse zum Tanzen bringen?).

(Video 7: Cidade e movimento)

Das Ende der «Zeit der Kinematographie» kommt mit der medialen Verwirklichung der Gleichzeitigkeit der Darstellung mit dem dargestellten Ereignis der Realität, das selbst medial induziert sein kann.

Ohne auf die technische Differenz der unterschiedlichen mechanischen und elektronischen Medien hier eingehen zu können, unterscheiden sich die fotografisch-kinematographische Aufzeichnung des Films von der elektronischen «Direkt-Übertragung» des Bildfunks (was eine Aufzeichnung auf Magnetband oder später auf digitalen Datenträgern nicht ausschließt).

Diese Gleichzeitigkeit des Ereignisses und seiner Darstellung schließt auch dessen Rezeption ein.

René Clair, um auf ihn noch einmal zurückzukommen, hat in seinem Roman «Adams» (1927) die globale gleichzeitige Pro-jektion und Rezeption desselben Films nur dadurch ermöglichen können, dass der Film in den Kosmos projiziert wurde, wo sich der Schauspieler Adams an die Stelle Gottes setzt.

Vor ihm hatte Guillaume Apollinaire die Idee, durch die Verteilung von entsprechenden Apparaten auf der ganzen Welt die gleichzeitige Erscheinung eines gewissen Baron d»Ormesan als falscher Messias zu verwirklichen.

Wie die Presse der ganzen Welt be-richtete, konnte man an tausenden Stellen auf der ganzen Erde gleichzeitig den «leibhaftigen» Auftritten des Barons als «Aldavid» beiwohnen, man konnte ihn sehen und sogar berühren, so dass auch jeder moderne ungläubige Thomas den neuen Messias (an) erkennen musste.

Die globale Verteilung der neuen Medien und ihre Vernetzung bedienen das viel ältere Phantasma, gleichzeitig an mehreren Orten sein zu können sowie der verteilten Teilnahme an allen gleichzeitigen Ereignissen an vielen Orten der ganzen Welt.

Das Fernsehen und das Internet haben als die neuen Zeitmaschinen in immer radikalerer Weise diesem Wunsch Rechnung getragen.

Ich möchte nur noch denjenigen Apparat erwähnen, dem wohl die nähere Zukunft als Zeitmaschine gehört:

dem Handy, sei es als iPhone oder iPod, jedenfalls als eine tragbare Kommunikationseinheit, die derzeit am genauesten der Idee Ausdruck gibt, an der Kommunikation der Ereignisse global angeschlossen zu sein.

Das elektronische Handy hat die mechanische Taschenuhr abgelöst, die seit dem 16.Jahrhundert ihren Träger an den Puls der Zeit angeschlossen hat.

Es gibt aufklappbare Handys, die sogar äußerlich der Taschenuhr nachempfunden sind.

Als Smartphone ist es (u.a.) Uhr, Computer und Monitor in einem.

Vor allem aber ist es eine Zeitmaschine, die alle Bedeutungen dieser Metapher zu vereinen scheint. Als Beleg füge ich hier einen kurzen Werbespot der Firma Vodafone an.

(Video 8 Vodafone Werbespot)

Enden möchte ich mit dem Bild einer Uhr, das wir jeden Abend im Fernsehen zu sehen bekommen.

Wenn sie 19 Uhr zeigt, sind der Beginn der «HEUTE»-Nachrichtensendung, das Programm und alle wirklichen und potenziellen Zuschauer, die tendenziell an allen Orten auf der Erde das Programm empfangen, gleichzeitig.

Das Medium selbst ist die Uhr, die es zeigt . Was am Ende der «Zeit der Kinematographie» für das Kino nicht möglich ist, nämlich in Echtzeit aktuell zu sein, kann das elektronische Medium postkinematographisch realisieren:

Das Medium wird zur tatsächlichen Zeitmaschine, deren Programm uns und die Zeit programmiert.

Auf die Frage, was ist Zeit, könnte Albert Einstein heute ebenso gut antworten: Zeit ist das, was das Fernsehen zeigt, für das Zeit zugleich
«Programm» und programmatisch (Aktualität, Live) ist.

(Video 9 Fernsehuhr)

1 Joachim Paech: Nicht vergessen, aber lange Zeit unsichtbar: Paris qui dort (1923, 1971) von René Clair. In: Aleida Assmann, Michael Frank (Hg.) Vergessene Texte. Konstanz (UVK) 2004, S.117-136 2 Vgl. Peter Galison: Einsteins Uhren, Poincarés Karten. Die Arbeit an der Ordnung der Zeit. Frankfurt/M. 2003, S.284-307 3 Die Uhr auf der Verkehrsinsel am Potsdamer Platz ist geradezu zum Symbol der Beschleunigung des Lebens geworden, für das die Verkehrsentwicklung um diesen Platz herum in den 1920er Jahren berühmt war. 4 Vgl. Engelhard Weigl: Instrumente der Neuzeit. Die Entdeckung der modernen Wirklichkeit. Stuttgart 1990 5 Lewis Mumford: Technics and Civilization. New York 1963, S.14-15 6 Georg Simmel: Die Großstädte und das Geistesleben. In Ders.: Das Individuum und die Freiheit. Berlin 1984, S.195. Bezogen auf den Film von René Clair vgl. Annette Michelson: Dr. Ixe et Mr. Clair. In : Prosper Hillairet, Christian Lebrat, Patrice Rollet (Hg.) Paris vu par le Cinema d»Avant-Garde 1923-1983. Paris 1985, S.19-29 (hier S.26-27) 7 Peter Galison: Einsteins Uhren, Poincarés Karten. Die Arbeit an der Ordnung der Zeit. Frankfurt/M 2003 8 Vgl. u.a. den Themenschwerpunkt «Zeit im Film» der Zeitschrift Schnitt. Das Filmmagazin, Heft 56, April 2009 9 Rudolf Arnheim hat 1934 kategorisch festgestellt, «dass die für den technischen Vorgang der Filmaufnahme- und Vorführung charakteristischse Bewegung, die des Bildstreifens nämlich, nicht mit zum ästhetischen Charakter des Films gehört und daher auch nicht zu berücksichtigen ist (… und) mit dem Rhythmus als ästhetischer Komponente der Filmkunst nicht das mindeste zu tun» hat. («Bewegung im Film». In ders.: Kritiken und Aufsätze zum Film, hg. von Helmut Diederichs. München, Wien 1977, S.41) 10 Henri Bergson : Schöpferische Entwicklung. Jena 1921, S.309 11 La Poste, 30 décembre 1895, zit. nach René Jeanne et Charles Ford : Le Cinéma et la Presse 1895-1960. Paris 1961, S.15 12 Jean Louis Baudy: Cinéma: effets idéologiques produits par l»appareil de base. In : Cinétique 7/8, 1970, S.1-8
10 Henri Bergson : Schöpferische Entwicklung. Jena 1921, S.309 11 La Poste, 30 décembre 1895, zit. nach René Jeanne et Charles Ford : Le Cinéma et la Presse 1895-1960. Paris 1961, S.15 12 Jean Louis Baudy: Cinéma: effets idéologiques produits par l»appareil de base. In : Cinétique 7/8, 1970, S.1-8 13 Peter Gendolla beschreibt zwar sehr genau die Verbindung zwischen der Mechanik der Uhr und der des Kinematographen, um dann jedoch wieder zur Bewegung als Wahrnehmungseffekt zurückzukehren: Ermöglicht wird «so erst die Illusion, d.h. die Überlistung des körpereigenen Zeittakts der Augen» (sprich des Nachbildeffekts). (Zwischenzeiten. Zur Kultur und Technik der Zeit in der Moderne. In: W.Müller-Funk (Hg.) Zeit. Mythos, Phantom, Realität. Wien 2000, S. ) 14 Siegfried Zielinski: Backwards to the Future. Entwurf für eine Untersuchung des Kinos als Zeitmaschine. In: Schnitt, No 30, 2003, S.22-25 (gekürzte Fassung des Beitrags mit gleichem Titel in: Future Cinema 15 Zit, nach Wolfgang Silvanus: Sand im Getriebe des Universums. Neue Theorien nähern sich dem Rätsel der Zeit. In: Frankfurter Rundschau, 21.8.2008 16 Henri Bergson, Schöpferische Entwicklung, S.308 17 Lewis Mumford (wie Fußnote 5) 18 Peter Gendolla: Zeit-Stationen. Über Beschleunigungen und die Kunst, anzuhalten... In: Synema (Hg.) Zeit. Wien 1999, S. 94 – Peter Gendolla: Zeit, zur Geschichte der Zeiterfahrung ; vom Mythos zur «Punktzeit». Köln, Verlag DuMont, 1992, 19 Zum Zusammenhang von Uhr(zeit) und Kinematographie s.a. Natascha Drubek Meyer: Das Kino, die Uhr und der Regen. Zur filmpoetischen Vorgeschichte von Deleuzes Zeit-Bildern. In: Natascha Drubek-Meyer, Jurij Murasov (Hg.): Das Zeit-Bild im osteuropäischen Film nach 1945. Köln, Weimar, Wien (Böhlau) 2010, S.21-45 20 Gilles Deleuze: Das Bewegungsbild. Kino 1. Frankfurt/M. 1989, S.13-26 (Erstes Kapitel: Thesen zur Bewegung. Erster Bergson-Kommentar). Hier kann die nötige Auseinandersetzung mit Deleuze leider nicht geleistet werden. 21 Die Bedeutung von «Schnitt» sollte allerdings sehr genau festgelegt werden. 1. Die Fotografie als Schnittbild setzt die (ontologische) Vorstellung einer fließenden Zeit voraus, aus der die Momentfotografie ein «Ausschnitt» ist. 2. Die Verbindung zwischen Momentfotografien im Film als «Schnitt» impliziert das merkwürdige Bild von Scheiben, die aus der Wirklichkeit ausgeschnitten und hier wieder zusammen- gestellt werden. 3. Schnitt ist auch die Montage auseinander geschnittener Sequenzen, die neu narrativ angeordnet werden sollen. Wenn man das durcheinan der bringt, kommt es zur Vorstellung folgender Beziehung zwischen (ontologisch begründeten) Einschnitten in die Zeit (als Kontinuum) und Film-Schnitten: «Ein Begriff von Zeit in diskreten Abschnitten entspricht der kinematographischen Ästhetik des Schnitts. Das heißt: mit den Augen des Cutters Wirklichkeit zu foltern, mit diskontinuierlichen Rupturen zu kalkulieren, eine Archäologie der Reversibilität zu kultivieren, wie sie von filmischen Medien seither nahe gelegt sind.» (Wolfgang Ernst: Das Gesetz des Gedächtnisses. Medien und Archive am Ende (des 20.Jahrhunderts) Berlin 2007. Hier stimmt so gut wie nichts. 22 Marey hat im Rahmen der Chronophotographie denselben Vorgang als Intervention der Zeit in die Bewegung beschrieben: «Soll der Charakter der Bewegung vollständig zur Darstellung gelangen, so muss eine Vorstellung von Zeit in das Bild mit eingehen, was dadurch erzielt wird, dass man das Licht nur zeitweilig wirken lässt, mit Unterbrechungen von bestimmter Dauer.» (Etienne Jules Marey: Chronophotograph [1893]. Frankfurt/M. 1985 (=Kinematograph Nr.2), S.5 23 André Bazin: Ontologie des fotografischen Bildes. In Ders.: Was ist Kino? Bausteine zur Theorie des Films. Köln 1975, S.24-25 24 Vgl. Etienne Jules Marey: Chronophotograph, S.1-5
25 Michel Frizot hat gezeigt, wie sehr die chronophotographische/ kinematographische Darstellung der Bewegung schon bei Marey auf die Beschreibung der Mechanik der natürlichen Gehbewegung des Menschen zurückgewirkt hat, die ebenfalls das Schema «Fortbewegung/Stillstand/Fortbewegung/Stillstand» wiederholt habe. Vgl. Michel Frizot: Der Menschliche Gang und der kinematographische Algorithmus. In: Herta Wolf (Hg.) Diskurse der Fotografie. Frankfurt/M. 2003, S.467 26 Max Wertheimer: Experimentelle Studien über das Sehen von Bewegung. In: Zeitschrift für Psychologie, 61.Band, 1912, S.161-265 - Ausführlich wird diese Tradition falscher Vorstellungen über das Zustandekommen des Bewegungs- eindrucks diskutiert in Joseph and Barbara Anderson: Motion Perception in Motion Pictures. In: Teresa de Lauretis and Stephen Heath (Hg.): The Cinematic Apparatus, London 1980, S.76-95 («Even the two major classical theorists of film, Sergej Eisenstein and André Bazin, accepted and perpetuated the concept.» (S.77)). 27 Vgl. Peter Slansky: Film Look versus Elektronik Look- Zur Anmutung des projizierten Bildes. In: Ders. (Hg.) Digitaler Film – Digitales Kino. Konstanz (UVK) 2004, S.93- 121. Flückiger, Barbara, 2004, Zur Konjunktur der analogen Störung im digitalen Bild. In: Schröter, Jens; Böhnke, Alexander (Hg.) Analog / Digital - Opposition oder Kontinuum? Zur Theorie und Geschichte einer Unterscheidung. Bielefeld (transkript Verlag) (=Medienumbrüche 2), S.407-428. 28 Vgl. Karl Clausberg: Zwischen den Sternen: Lichtbildarchive. Was Einstein und Uexküll, Benjamin und das Kino der Astronomie des 19.Jahrhunderts verdanken. Berlin 2006 29 André Bazin: Le mythe du cinéma total. In Ders. : Qu»est-ce que le cinéma ? Edition définitive. Paris 1981, S.19-24 30 Ein weiteres sehr schönes Beispiel von einem Mann, der über die phantastische Gabe verfügt, mit einem Fingerschnippen die Zeit anhalten zu können, stammt von Nicholson Baker in seinem Roman «Die Fermate» (1996). 31 Guillaume Apollinaire: Le toucher à distance. In Ders. L»Hérésiarque et Cie (1899- 1910), S.212-223 32 Der Film von Jean-Pierre Jeunet: Die fabelhafte Welt der Amelie (Le fabuleux destin d‘Amélie Poulin), 2001 zitiert diese Metapher der medialen Zeitmaschine

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