NACH STEINBACH
Machen wir den Test. Nehmen wir zwei Sätze, zwei scharfe Messer aus dem konservativen Tafelsilber, schneiden wir damit in die Stimmungslage unserer Zeit hinein.
Satz eins: „Nur der Staat ist souverän, der die Kontrolle über seine Grenzen hat und sie auch ausübt.“
Satz zwei: „Die Ehe zwischen Mann und Frau ist notwendige Bedingung allen Fortschritts.“ Wer heute einen dieser Sätze in einer beliebigen Talkshow sagte, würde einen Sturm der Entrüstung ernten. Und es macht gar nichts, dass beides, wenn auch anders formuliert, im Grundgesetz steht.
Artikel 6,1 GG sagt: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“ Warum aber sollten sie das, wenn sie dem Land, der Gesellschaft und ja, auch dem Staat nicht etwas gäben, was andere Formen des Zusammenlebens nicht geben können?
Kinder eben oder, pathetisch gesagt, der Fortgang der Menschheit. Die Entrüstung hierüber würde auf den medizinischen Fortschritt verweisen, der es möglich macht, sich Kinder auch zu basteln, statt sie konventionell zu zeugen. Stimmt, würde der Konservative entgegnen, aber es bleibt ein Umgehungstatbestand, und das sagt ja alles.
Die Sache mit der Grenze
Kommen wir zum anderen Messer. Der frühere Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio schrieb jüngst in seinem Rechtsgutachten für die bayerische Staatsregierung, Deutschland dürfe zwar zur Sicherung seiner Staatsgrenze Hoheitsrechte an die EU übertragen, „bleibt aber in der Gewährleistungsverantwortung für die wirksame Kontrolle von Einreisen in das Bundesgebiet“.
Der Bund sei „aus verfassungsrechtlichen Gründen“ verpflichtet, wirksame Kontrollen der Bundesgrenzen wieder aufzunehmen, wenn das gemeinsame europäische Grenzsicherungs- und Einwanderungssystem vorübergehend oder dauerhaft gestört sei – was seit 2015 der Fall ist, wie jeder weiß.
Man muss das hier nicht weiter durchargumentieren. Es kann nur festgehalten werden: Beide klassisch konservativen Positionen werden von großen Teilen der Öffentlichkeit nicht mehr als legitim angesehen.
Die bösen Kinder, du-du
Man nennt es „rechtskonservativ“ und dergleichen. Man will damit sagen: Das sind die bösen Kinder, sie stehen außerhalb unseres Stuhlkreises. Und das Stuhlkreisspiel wird inzwischen auch in der CDU gespielt.
Der Verlust des Konservativen ist ein deutsches Phänomen. Anderswo ist es vital. Nur in Deutschland ist das geistige Koordinatensystem derart kräftig nach links verschoben, dass alles, was nicht links ist, seitlich herausfällt, siehe die genannten zwei Sätze.
Was in Frankreich oder in den USA als Mainstream gelten würde, gilt bei uns als rechts. Was hier als Mitte gilt, gilt dort als links. Und so weiter.
Nun kommt die AfD und bietet sich als konservative Alternative an. Ist sie es? Zweifellos gibt es aus ihrer alten Heimat, der CDU, vertriebene Konservative, die diese Partei wählen, und sei es aus Wut und Ratlosigkeit.
Herzlose Damen von der AfD
Aber konservativ ist die AfD nicht. Es sei denn, man brächte konservativ auf die Formel: Nostalgie plus Ressentiment. All die Reichsfahnen auf ihren Kundgebungen, die Bomberjacken mit Frakturschrift drauf, die deutschnationalen Wärmflaschen, die Björn Höcke bedeutungsvoll verschmitzt herumreicht.
Dazu die Ausbrüche von Kälte und Empathielosigkeit führender Damen. Das ist nicht konservativ und christlich schon gar nicht.
Womit wir an den Punkt kommen, an dem es wehtut. Denn es sind eben nicht nur die anderen schuld, die die armen Konservativen immerzu ausgrenzen. Der deutsche Konservatismus ist geistig ausgedörrt, historisch entwurzelt und zukunftsblind, und er hat so gut wie keine Helden, Wolfgang Bosbach ausgenommen.
Man könnte auch sagen, es gibt ihn nicht mehr. Auch ihn hat Hitler erledigt. Der deutsche Konservatismus, als er noch im Saft stand, war nun einmal weithin deutschnational, ostelbisch, preußisch, protestantisch. Und diese Welt ist erst zur NSDAP übergelaufen und dann ein für allemal untergegangen.
Oh Gott, Heinz Erhardt
Nichts symbolisiert den Verlust so treffend wie das rekonstruierte Berliner Schloss. Städtebaulich, also nach außen hin, ist es eine Großtat – aber innen drin? Nichts von dem, wofür es stand, ist mehr da. Alles fort, der Bruch maximal radikal. Nichts, aber auch gar nichts, woran anzuknüpfen wäre. Was also tun? Man tut eine Ethno-Sammlung hinein. Muss man mehr dazu sagen?
Hier wird man einwenden: Aber die schlimmen Fünfzigerjahre, die waren so richtig übel konservativ, was für eine historische Tat, das umzuwälzen! Wohlig sich gruselnd, beschwört die 68er-Generation bis heute ihren Titanenkampf mit Heinz Erhardt und seiner Zeit.
Man schaue sich dessen Filme an: Diese frühbundesdeutschen Männlein und ihre Fräulein, wie sie aufgeregt ihre Problemchen mit Chefs, Autos und den Liebesaffären ihrer Töchter durchspielen.
Die CDU ist ausgebrannt
Verglichen mit einem ostelbischen Rittergutsbesitzer der Vorkriegszeit oder einem Leutnant der Jünger-Generation sind es verdruckste, geknickte, um etwas Wohlstand und Heiterkeit bemühte Gestalten, die uns in diesen Filmen entgegentreten. Und wie auch nicht nach einem Krieg, den diese Männer und Frauen eben nicht nur militärisch, sondern moralisch verloren hatten.
Das Wunder der Nachkriegspartei CDU ist oft beschrieben worden. Eine rheinische Quiche, gebacken aus eigentlich schwer verträglichen Zutaten: katholische Soziallehre, Ordoliberalismus und darin ein paar konservative Geschmacksverstärker.
Auch wenn die CDU es immer noch schafft, Mehrheiten zu erringen oder in Koalitionen zu organisieren – dieser westdeutsche Konservatismus, wenn man ihn denn so nennen will, ist in der Fläche wie in der Tiefe ausgebrannt, vielleicht abgesehen von Bayern.
Die besseren Linken ahnen etwas
Blöde Frage: Braucht eigentlich irgendwer das Konservative? Es gibt Anzeichen dafür. Das Gespräch kann bei eher linken Gelegenheiten erstaunlich schnell an den Punkt kommen, an dem ein Bedauern darüber geäußert wird, dass ein anständiger Gegner fehle – ein interessanter, herausfordernder Gegenpol, an dem man sich selbst und seine Haltungen überprüfen könnte. Es ist nun einmal öde und macht dumm, immerzu im eigenen Justemilieu zu schmoren.
Die besseren Linken ahnen das. Ihr Sieg ist ziemlich total, und totale Siege sind meist der Anfang vom Ende. Es besteht also Hoffnung.
Bis dahin heißt, ein Konservativer zu sein, ein Einzelgänger zu sein, mal eher melancholisch, mal stolz, je nach Tagesform.
Biographie Amandus Kupfer - Part 3Biografie zum 50. Todestag von Amandus Kupfer. 20. März 2002.© 2002-2017 Medical-Manager Wolfgang TimmBiographie Amandus Kupfer - Part 2Biografie zum 50. Todestag von Amandus Kupfer. 20. März 2002.© 2002-2017 Medical-Manager Wolfgang TimmBiographie Amandus Kupfer - Part 1Biografie zum 50. Todestag von Amandus Kupfer. 20. März 2002.© 2002-2017 W. Timm
Juni 1941 Letzte Ausgabe von „DgM“ 101 by Amandus Kupfer. Nürnberg.
Juni 1991 Akademische Publikation zur Selbstverantwortung by Wolfgang Timm. Heidelberg.
Rettung jedoch über die Schweiz.
Quelle DgM Nr. 51. An den großen, charaktervollen, idealen Frauennaturen sind die großen Männer und Völker emporgewachsen, an den charakterlosen, lieblosen, sittenlosen zugrunde gegangen. |
Geprägte Kindheit auf Sylt 60er Jahre in einem Reetdach-Haus von 1761 - davor Sohn Jorge aus Madrid, Sommer 2004. |
Der Sämlingvon bmh |
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