UV-Nord-Hauptgeschäftsführer Michael Thomas Fröhlich gab möglicherweise einen Vorgeschmack auf Merkels Rede. Fröhlich rechnete mit der Landesregierung in heftiger Form ab.
Die Wirtschaft im Lande sei „ausgehungert" nach einer mittelstandsfreundlichen Politik.
Der Kieler Koalitionsvertrag sei der einzige in Deutschland, in dem Industrie und Wirtschaft „keine Rolle spielen".
Dieses unfreundliche Wirtschaftsklima sei mitverantwortlich für den Arbeitsplatzabbau beim Windenergieunternehmen Senvion in Husum und Osterrönfeld bei Rendsburg.
Die Geschehnisse bei Senvion seien nur ein Beispiel dafür, wie die Landespolitik Unternehmen an der Westküste im Stich lasse.
Fröhlich machte dies fest am Nichtausbau der Bundesstraße 5 entlang der Westküste und an dem A 20-Stillstand, wo „Adlernester und Fledermäuse den Ton angeben".
Die Landesregierung starte einen „Aufbruch in die Vergangenheit und nicht in die Zukunft", wetterte der Sprecher der Nord-Wirtschaft.
HUSUM | Der Windkraftanlagen-Hersteller Senvion will in diesem Jahr in Deutschland rund 730 Arbeitsplätze streichen.
Die Konzernholding begründete die Einschnitte am Montag mit einem stärker werdenden Wettbewerbs- und Preisdruck. Deshalb sollen Teile der Produktion verlagert und Standorte in Deutschland geschlossen werden, wie die Luxemburger Senvion S. A. mitteilte.
Der Vorstand will durch die Umstrukturierung jährlich rund 40 Millionen Euro einsparen.
Senvion ist ein Hersteller von Windenergieanlagen im Onshore- und Offshore-Bereich. Das internationale Maschinenbauunternehmen entwickelt, produziert und vertreibt Windenergieanlagen. Die Systeme werden im Senvion TechCenter in Osterrönfeld konstruiert und in den deutschen Werken in Husum, Trampe und Bremerhaven sowie in Portugal gefertigt.
Dicht gemacht werden unter anderem die Betriebsstätten in Husum und Trampe (Brandenburg) sowie der Standort der PowerBlades GmbH in Bremerhaven.
In Husum seien 100 Mitarbeiter direkt betroffen.
Außerdem werden von sechs Servicestandorten in Schleswig-Holstein fünf geschlossen.
Den rund 120 Beschäftigten von den Standorten in Enge-Sande, Helgoland, Ostrohe, Husum und Lübeck soll angeboten werden, nach Schleswig zu wechseln.
Dort soll der Service zentralisiert werden.
Der mit der Produktentwicklung beschäftigte Standort Osterrönfeld (Kreis Rendsburg-Eckernförde) ist den Angaben zufolge kaum vom Stellenabbau betroffen, seinen Verwaltungssitz hat das Unternehmen in Hamburg.
Der Service soll statt an sechs nur noch an einem Standort in Schleswig angesiedelt sein.
Senvion-COO (Chief Operating Officer) Christian Roth erklärt das Schließungs-Programm „Move Forward“:
In Husum wird er Anlagentyp „MM“ produziert, der immer weniger nachgefragt wird. Deshalb werde der Standort geschlossen.
Zur Einschätzung der Lage auf dem Sektor der regenerativen Energie erklärte Roth:
Die Einspeisevergütungen gingen zurück, der Wettbewerbsdruck zwischen den verschiedenen regenerativen Energien (Biomasse, Wind und Solar) steige, und das größte Wachstum der Branche finde außerhalb Deutschlands statt.
„Das ist eine betrübliche Nachricht“, sagte der Kieler Wirtschafts- und Arbeitsminister Reinhard Meyer (SPD) mit Blick auf Husum zu der Entscheidung, die fernab von dem Standort auf dem Reißbrett getroffen worden sei.
Das Land biete alle Möglichkeiten an, um zu helfen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik.
„Man muss hier auch über Beschäftigungsgesellschaften oder Ähnliches nachdenken“, sagte Meyer.
Die Betroffenen müssten die Chance bekommen, anderswo auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen.
IG Metall will über Sozialplan verhandeln
Martin Bitter von der IG Metall Rendsburg kündigte im Gespräch mit shz.de an, mit Senvion über einen Interessenausgleich zu verhandeln.
In diesem Rahmen könne man auch Alternativvorschläge machen. Es müsse ein milderes Mittel geben als Kündigungen.
Ähnlich äußert sich Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste:
„Ein Kahlschlag auf dem Rücken der Beschäftigten ist kein Zukunftskonzept.
Massenentlassungen und die Schließung von nahezu allen Produktionsstandorten in Deutschland bringen das Unternehmen nicht voran.“
Das Werk des Windenergieanlagen-Herstellers Senvion am Husumer Hafen. Foto: Volkert Bandixen
„Windkraft Valley“ am Kanalufer: Blick vom Dach des Senvion TechCenters auf das im Bau befindliche Bögl-Werk nebenan. Foto: Frank Höfer
Im Ausland sollen 50 Stellen wegfallen. Da aber auch rund 120 Stellen aufgebaut werden, fallen unter dem Strich rund 660 Vollzeit-Stellen weg, wie Vorstandschef Jürgen Geißinger der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg erläuterte.
Von den 253 betroffenen Mitarbeitern in der Bremerhavener Rotorblätter-Fertigung will Senvion Angestellte in die Gondel-Produktion (220 Beschäftigte) übernehmen. Mit den Arbeitnehmervertretern sollen zeitnah Gespräche für einen Sozialplan aufgenommen werden.
Das größte Senvion-Werk für Rotorblätter steht in Portugal, es hat rund 500 Mitarbeiter.
„Der Stellenabbau ist leider unvermeidlich, um das Unternehmen als Ganzes mit seinen dann rund 4100 Arbeitsplätzen zukunftsfähig zu erhalten“, sagte Geißinger.
Senvion habe in den vergangenen beiden Jahren bereits Abläufe verbessert, Investitionen getätigt und neue Produkte entwickelt. Aber allein der für Senvion bislang starke deutsche Markt habe sich von mehr als 5,0 Gigawatt 2015 installierter Leistung auf 2,8 Gigawatt fast halbiert.
„Die Preise haben sich in den vergangenen Jahren um rund 40 Prozent reduziert“, sagte Geißinger.
Er will vor allem in Übersee - Südamerika, Australien, Indien sowie den USA - mit Anlagen für den Niedrigwindbereich expandieren. „Ich bin überzeugt, dass wir mit deutscher Technologie die Energiewende auch global zum Erfolg führen“, sagte Geißinger.
In Deutschland habe Senvion einen Marktanteil von 8 Prozent, berichtete Geißinger. Weltweit rangiere das Unternehmen an vierter Stelle im Windenergie-Anlagenmarkt. Die Festaufträge für 2016 lagen bei 1,3 Milliarden Euro. Einschließlich der noch nicht endgültig festgezurrten Abschlüsse betrugen sie 1,765 Milliarden Euro.
Der Windkraftanlagen-Hersteller Senvion will in diesem Jahr in Deutschland rund 730 Arbeitsplätze streichen. Die Konzernholding begründete die Einschnitte am Montag mit einem stärker werdenden Wettbewerbs- und Preisdruck. Deshalb sollen Teile der Produktion verlagert und Standorte in Deutschland geschlossen werden, wie die Luxemburger Senvion S. A. mitteilte. Der Vorstand will durch die Umstrukturierung jährlich rund 40 Millionen Euro einsparen.
von shz.de, Video: Victoria Lippmann erstellt am 13.Mär.2017 | 19:33 Uhr
***
Unternehmer klagen: Politik lässt uns im Stich
Unternehmensverband kritisiert Landesregierung und fordert Bekenntnis zum Mittelstand
Quelle: Husumer Nachrichten, 15.03.17.
RENDSBURG Die Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein machen mobil gegen eine verfehlte Wirtschaftspolitik der Kieler Landesregierung.
In ungewohnter Schärfe griff der Hauptgeschäftsführer Unternehmensverbände, Michael Thomas Fröhlich, gestern in Rendsburg die Koalition von SPD, Grünen und SSW an.
Der Kieler Koalitionsvertrag sei der einzige in Deutschland, „in dem Industrie und Wirtschaft keine Rolle spielen“, wetterte Fröhlich an die Adresse der Küsten-Koalition.
Sie bemühe sich um einen „Aufbruch in die Vergangenheit“, statt sich mit Zukunftsinnovationen zu beschäftigen.
Die Wirtschaft vermisse ein Bekenntnis zum Mittelstand, die Unternehmen seien „ausgehungert“ und sehnten sich nach einer mittelstandsfreundlichen Politik.
„Die Landespolitik lässt uns im Stich“,
fügte Fröhlich hinzu.
Nur ein Beispiel für die verfehlte Wirtschaftspolitik sei der jüngste Personalabbau beim Windenergieunternehmen Senvion.
Wie berichtet, baut Senvion allein an seinem Produktions-Standort Husum über 200 Arbeitsplätze ab.
Mitschuld an diesem Desaster sei die Kieler Verkehrspolitik.
Sie zögere mit dem überaus notwendigen Ausbau der Bundesstraße 5 an der Westküste und sei verantwortlich für den Stillstand des A 20-Weiterbaus.
Adlernester und Fledermäuse seien wichtiger als eine zeitgemäße Verkehrsinfrastruktur. An der Westküste breche zudem die Ausbildungsquote ein. „Was muss denn noch alles passieren, bis die Koalition aufwacht?“, fragt Fröhlich und prophezeit einen „Stillstand nördlich der Elbe. Eben dann, wenn es so weitergeht wie in den letzten 20 Jahren.“
Das Land benötige Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und in die Digitalisierung. „Andernfalls laufen wir den meisten Bundesländern hinterher, wie in den letzten zwei Jahrzehnten“,
mahnt Fröhlich Veränderungen an.
Nach Meinung der Verbände sei die Zeit reif für eine gemeinsame Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hamburg/Schleswig-Holstein.
Es gebe einen hohen Bedarf an Industrieflächen in Hamburg, der in der Hansestadt nicht bedient werden könnte. „Da müssen wir im Umland Gewehr bei Fuß stehen und in die Bresche springen“, sagte der Verbandssprecher und kritisiert die fehlende Abstimmung zwischen Hamburg und seinem Nachbarn im Norden.
Fröhlich: „Wir dürfen nicht nur die Lippen spitzen, bei uns muss gepfiffen werden.“
Auch fordern die Verbände sechs Spuren auf der neuen Rader Hochbrücke – alles andere sei Rückbau. Erst vor Kurzem hatte das Berliner Verkehrsministerium gleichlautende Forderungen vom Kieler Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) abgelehnt.
Vier Spuren, so Fröhlich, entsprächen nicht dem Verkehrsaufkommen der Zukunft. Das sähen die Dänen auch so.
Von deren Zukunftsplänen sei Schleswig-Holstein jedoch weit entfernt,
wie Fröhlich in Gesprächen mit Vertretern des Nachbarlandes festgestellt hat.
Jürgen Muhl
[FAZIT Wolfgang Timm, Husum / Carl-Huter-Zentral-Archiv / Helioda1 / CHZA1: Entscheider in SH & Nordfriesland verstehen überhaupt nicht die Unterscheidung von INVESTITION und Kosten! MP ALBIG & LANDRAT NF HARRSEN & VERWALTUNGSCHEF HUSUM SCHMITZ - MERKE: INVESTITIONEN = EINNAHMEN DER ZUKUNFT! Mental hier leider nicht zu vermitteln!]
Leitartikel
Die Wirtschaft klagt zu Recht an
Verkehrsinfrastruktur um Jahre zurück
Die Minister ziehen durchs Land und
preisen ihre Leistungen an. Was sie denn in den letzten Jahren so alles für Schleswig-Holstein getan haben.
Bei Innenminister Stefan Studt muss man gar um dessen Schlaf bangen. Wo immer Sportler geehrt werden, taucht auch der für diesen Bereich zuständige Minister auf. Studt lobt die großartigen Leistungen, stellt die Bedeutung des Sports im Allgemeinen heraus und hofft inständig, nicht auf die vielen maroden Hallen und Anlagen angesprochen zu werden.
Hin und wieder überreicht Studt einen Scheck – wie auch Wirtschaftsminister Reinhard Meyer derzeit mit Zuwendungsbescheiden nicht geizt.
So funktioniert der allgemeine ministeriale Betrieb vor Wahlen. Wobei vor dieser Landtagswahl eine ungewöhnlich große Bereitschaft zu Besuchen bei den lieben Mitbürgern in Stadt und Land zu registrieren ist.
Das konservative Lager – in diesem Fall sind es die Unternehmensverbände mit immerhin über 42 000 Mitgliedsfirmen in Hamburg und Schleswig-Holstein – reagiert mit harscher Kritik an einer heruntergekommenen Verkehrsinfrastruktur. Sie tun dies zu Recht, sie haben dies auch vor Jahren und Monaten getan. Als keine Wahlen in Sicht waren.
Es geht um den Stillstand beim Weiterbau der A 20, eine für Industrie und Wirtschaft überaus notwendige Verbindung in Richtung Süden.
Gäbe es diese A 20, würden sich viele neue Unternehmen im nördlichsten Bundesland ansiedeln, heißt es. Was etwas hypothetisch klingt und doch so sein könnte. Aus wirtschaftlicher Sicht – und dazu gehört auch der Tourismus im Lande – müsste die A 20 kommen.
Bislang aber versteckt sich die Politik in Adlernestern und Unterführungen für Fledermäuse.
Ein unerträglicher Zustand, der Schleswig-Holstein im Vergleich mit der Infrastruktur in anderen Bundesländern kläglich aussehen lässt. Auch der Ausbau der Westküsten-B 5 bis zur dänischen Grenze bleibt in der Planung hängen, wenn überhaupt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen