„Es ist ... der Initiative des Kieler Zarenvereins zu verdanken, dass wir seit seiner Gründung 2008 ein genaueres und umfassenderes Bild von Zar Peter III. erhalten, als es vielfach vorherrscht.“
Anke Spoorendonk, Ministerin für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein, Januar 2013
Sonderausstellung: 255 Jahre Peter III. zugleich Herzog von Holstein-Gottorf | Husum Tourismus
Was ist der „Kieler Zarenverein“ und welche Ziele haben sich seine Mitglieder gesetzt?
Herzog Carl Peter Ulrich von Holstein-Gottorf wurde am 21.2.1728 im Kieler Schloss geboren. 1742 wurde der „Kieler Jung“ auf Geheiß seiner Tante, der russischen Kaiserin Elisabeth, zum Thronfolger des Russischen Reiches ernannt.
Als die Zarin 1762 starb, bestieg der Herzog von Holstein-Gottorf als Peter III. den russischen Thron.
Nach nur sechsmonatiger Regierungszeit, in der er die rekordverdächtige Anzahl von nahezu 200 Gesetzen und Erlassen zur sozialen und wirtschaftlichen Erneuerung Rußlands auf den Weg brachte, ließ seine Ehefrau, die spätere Kaiserin Katharina II., ihn ermorden, um selbst auf den Thron zu gelangen.
Dieser Umsturz wurde von ihr propagandistisch mit diffamierenden Behauptungen über Peter III. begleitet, deren damals beabsichtigte Folgen bis heute - völlig zu Unrecht - das weitgehend negative Bild dieses Zaren prägen.
Der Kieler Zarenverein widmet sich seit seiner Gründung 2008 der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Politik dieses Fürsten. In der Wanderausstellung „250 Jahre Zar Peter III. von Rußland zugleich Herzog von Holstein-Gottorf 1762 - 2012 - Der Kieler Prinz auf dem Zarenthron“, präsentieren wir die Ergebnisse, um die Öffentlichkeit an diesem interessanten Thema teilhaben zu lassen.
Das politische Ausmaß des Reformeifers Peters III. ist bemerkenswert.
Diesem aufgeklärten Fürsten späte Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, verbindet der „Kieler Zarenverein“ mit dem Vorschlag, dem holsteinischen Herzog und russischen Kaiser in Personalunion ein Denkmal im Kieler Schlossgarten zu setzen.
Damit würde zudem - nach den leidvollen Ereignissen des 20. Jahrhunderts - das Gemeinsame und Verbindende der deutsch-russischen Geschichte in einer Form gewürdigt werden, die auch von Gästen aus Rußland und anderen osteuropäischen Staaten als Symbol der Völkerverständigung verstanden werden könnte.
Sonderausstellung / Ausstellungsprojekt zu Peter III.
Im Schloss vor Husum ist ein Ausstellungsprojekt zu Peter III. zu sehen.
Der 1728 in Kiel geborene Enkel des russischen Kaisers Peter I., Prinz Carl Peter Ulrich, ab 1745 regierender Herzog von Holstein-Gottorf, wurde 1762 in Personalunion auch Zar Peter III. von Russland.
Historiker haben das durch die Zeitgenossen Katharinas gezeichnete negative Bild Peters lange Zeit weitgehend übernommen, so etwa W. Klutschewskij und die meisten westlichen Historiker, die den Zaren als schwärmerischen Wirrkopf betrachteten, der letztlich zum Wohle Russlands habe gestürzt werden müssen.
Andere Historiker, wie etwa Alexander S. Mylnikow in Russland und Elena Palmer in Deutschland, lehnen dieses negative Bild in neuerer Zeit entschieden ab und bezeichnen Peter wegen seiner Reformprojekte als umsichtig regierenden Herrscher und fortschrittlichen Reformer.
Am 13. Juni 2014 wurde vor dem Kieler Schloss ein Denkmal für Zar Peter III. enthüllt.[9] Das Bronzestandbild schuf der russische Künstler Alexander Taratynov
Zar Peter III. vor dem Kieler Schloss. Er trägt in seiner rechten Hand eine Urkundenrolle mit den Begriffen „Frieden“, auf Russisch „Mir“, die Jahreszahl 1762 sowie seinen Namenszug auf Deutsch und Russisch. Der Abstand zu seinem Thron symbolisiert das vorzeitige Ende seiner Herrschaft.[8]
Der Kieler Zar
„Ein Denkmal in Kiel für Carl Peter Ulrich - Herzog von Holstein-Gottorf zugleich
Zar Peter III. von Russland e.V.“
Der Kieler Zar Peter III. - Ein Denkmal in Kiel für Carl Peter Ulrich
Die Beziehungen der schleswig-holsteinisch-gottorfischen Herzöge mit Russland, aus deren Reihen nach Gregorianischem Kalender 1762 der Kieler Prinz, Carl Peter Ulrich, den Zarenthron „aller Reußen“ bestieg (seit 1721 Russländisches Imperium/Rossijskaja Imperia) reichen zurück bis in die Anfänge des 17. Jh. Unter Herzog Friedrich III. reiste im Sommer 1632 über Nowgorod eine Gesandtschaft zum Zaren Michail Fjodorowitsch nach Moskau, um Erkundigungen einzuziehen, ob das Moskauer Russland bereit wäre, im Tausch gegen Rüstungserzeugnisse und Munition Getreide zu liefern.
Der Kieler Carl Peter Ulrich, von 1739 Herzog von Holstein-Gottorf und nach Julianischem Kalender seit 1761, nach Gregorianischem seit dem 6. Januar 1762, Alleinherrscher/Samoderzavec Zar/Imperator als Peter III., erließ gleich nach seiner Thronbesteigung eine Reihe von mutigen Manifesten/Gesetzen und Verordnungen zur gesellschaftlichen Umgestaltung seines Riesenreichs.
In der Außenpolitik bleibt aber das Sonderfriedens-abkommen, das er mit dem Preußenkönig Friedrich dem Großen abschloss, das bedeutendste Ereignis in seiner nur 186 Tage angehaltenen Regierungszeit, das womöglich Preußen vor dem totalen Zusammenbruch rettete.
Dieses Sonderfriedensabkommen führte auch dazu, dass der mörderische Siebenjährige Krieg, bereits damals als Weltkrieg empfunden, ein Ende fand.
Einfach war dieser Schritt für Peter III. nicht, denn unter einigen aus den Reihen höherer russländischer Offizierskreise, die den Feldzug gegen Preußen befehligten, wurde dieses Sonderfriedensabkommen als Verrat am Vaterland empfunden. Russland hatte beim Waffengang gegen Preußen große Siege aufzuweisen.
Die russländischen Streitkräfte hielten bereits ganz Ostpreußen und einen größeren Teil Pommern besetzt. Während der Verhandlungen verhielt sich aber auch Friedrich der Große nicht gradlinig.
Einerseits befürwortete er die Forderungen Peter III. gegenüber Dänemark in Fragen Schleswig, anderseits aber wollte er nicht, dass es zu einer direkten Konfrontation zwischen Russland und Dänemark kommt.
Eines der Hauptanliegen in den Verhandlungen für Peter III aber war, seinen Besitz im Herzogtum Schleswig zurück zu gewinnen, und bei einem eventuellen Waffengang gegen Dänemark. Friedrich den Großen auf seiner Seite zu wissen
Zwischen Kiel und der ehemals ostpreußischen Stadt Memel, heute Klaipėda, und zurück verkehren wöchentlich mehrere Fähren, deren Fahrgäste zu 50% Russen oder Russländer sind; und von denen wiederum so mancher in der ehemals ostpreußischen Metropole Königsberg, heute Kaliningrad, seinen Wohnsitz hat. Zwischen den beiden Städten besteht seit 17 Jahren ein Vertrag der Städtepartnerschaft.
Im April 2002 reiste zum zehnjährigen Jubiläum dieser städtepartnerschaftlichen Verbindung von Kiel nach Kaliningrad eine Delegation von über 100 Teilnehmern, zum Wohl guter nachbarschaftlicher Beziehungen und gedeihlicher wirtschaftlicher Interessen beider Städte und des Landes Schleswig-Holstein zur Kaliningrader Region.
Die heutigen Bewohner im einstigen Königsberg sind immer noch auf der Suche nach einer russischen Identität für ihre Stadt Kaliningrad, pflegen inzwischen aber auch die bemerkenswerte kulturelle Vergangenheit Königsbergs, so z. B. steht das während der Kaliningrader Zeit errichtetes Denkmal für den Zaren Peter den Großen, den Großvater des Kieler Prinzen, Carl/Karl Peter Ulrich, in der Nähe zu dem Instand gesetzten Denkmal für Friedrich Schiller aus Königsberger Zeiten.
1716 machte Peter der Große in Königsberg für längere zeit Station, von wo er dann weiter zum Besuch nach Berlin reiste. Während dieses Besuchs in Berlin wurde ihm auch vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. das berühmte Bernsteinzimmer zum Geschenk gemacht, für die Zusage, bei einer von Friedrich Wilhelm I. befürchteten kriegerischen Auseinandersetzung mit Schweden, ihm wohlwollenden Beistand zu leisten.
In Schleswig-Holstein hatte sich Peter der Große bereits in den Jahren 1712/13 aufgehalten.
Wie bereits gesagt, der im Schloss zu Kiel geborene Carl/Karl Peter Ulrich, ab 1739 Herzog von Holstein-Gottorf
und
von 1762 zugleich Zar und Kaiser des Russländischen Imperiums als Peter III.,
war der Enkel dieses bedeutenden Zaren aus Linie der Ehe seiner Tochter Anna Petrowna mit Karl Friedrich – Herzog von Holstein-Gottorf.
Nach dem frühen Tod des Zaren Peter II. - auch er war ein Enkel Peters des Großen, der Sohn seines Sohnes Alexej Petrowitsch aus der Ehe mit Evdokija/Eudokia, den er als Thronfolger wegen tiefgehender politischer Differenzen hatte zu Tode foltern lassen, und des 1740 gestürzten und inhaftierten Iwan VI. Antonowitsch aus der Braunschweigischen Linie (1740-1764) war der Kieler Herzog die einzige verbliebene männliche Person, in deren Adern Blut der Zarendynastie der Romanow`s floss - seit seiner Inthronisierung zum Zaren als Peter III.:
Dynastie Romanow-Holstein-Gottorf.
Dem Kieler Prinzen Carl Peter Ulrich - Herzog von Holstein-Gottorf war es in der tausend Jahre gemeinsamen deutsch-russischer Geschichte beschieden 1761, nach Gregorianischem Kalender am 6. Januar 1762, den Thron des „Zaren-Kaisers „ aller Reußen“ zu besteigen.
Er war der Sohn des Herzogs von Holstein-Gottorf, Karl Friedrich, und der Prinzessin/Zarevna Anna Petrowna, der unehelich geborenen Tochter des russländischen Zaren/ Kaisers (Russländischer Imperator) Peter des Großen aus der Verbindung mit Marta Skawronskaja, der späteren Zarin Katharina I.
Und wir haben es zu bedauern, dass er bereits nach einem halben Jahr auf dem Zarenthron einem Mordkomplott zum Opfer fiel.
Hätten ihm zur Regierung jene 34 Jahre zu Verfügung gestanden, wie seiner Ehefrau und Nachfolgerin, der Zarin Katharina II., genannt die Große,
so wäre die europäische Geschichte anders verlaufen.
Denn neben den unbestrittenen Erfolgen für das Russländische Imperium auf dem Gebiet der Außenpolitik, wie z. B. dem „Öffnen des Fensters zum Schwarzen Meer“ und der Expansion nach Westen durch die drei Teilungen der „Adelsrepublik Polen-Litauen“, so bedeutete ihre Herrschaft im Innen des Landes soziale und politische Stagnation.
Alle Staatsgewalt wurde für den Erhalt der Autokratie, der Alleinherrschaft des Zartums, und der menschenverachtenden gesellschaftlichen Konstellation der Leibeigenschaft aufgebracht, um auch jedes durch die Französische Revolution von 1789 nach Russland hinüberschallende Echo über Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit im Ansatz zu ersticken.
Als ein leuchtendes Beispiel der Unterdrückung jedes geistigen Gedankens, der nicht das „adlige Landleben“ pries, sei hier mit dem Fall Radischtschew/Radiščev angedeutet.
A. N. Radischtschew (1749-1801), Freidenker von hoher Bildung und Schriftsteller, verfasste 1790 in der Form des sentimentalen Reisetagebuchs ein philosophisches Werk mit dem Titel “Von Petersburg nach Moskau“, in dem er mit schärfstem Angriff gegen die Leibeigenschaft und den Absolutismus ein vernichtendes Panorama der sozialen und politisch Wirklichkeit Russlands darbot.
Das Werk trug ihm die Todesstrafe ein, die dann aber in eine auf zehn Jahre festgelegte Verbannung nach Sibirien umgewandelt wurde. Das Buch „Von Petersburg nach Moskau“ selbst wurde beschlagnahmt, auf den Index verbotener Schriften gesetzt, und konnte erst nach 1905 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
An der Unterdrückung von Gedankengut, wenn es sich auch nur ansatzweise gegen den autokratischen Absolutismus aussprach, änderte sich auch nicht viel nach der Aufhebung der Leibeigenschaft von 1861 [= Geburtsjahr von Carl Huter, Großmeister der Original-Menschenkenntnis & ethischen Schönheitslehre, nicht-akademisch!]. Denn sie wurde, wie gesagt, per Ukas durch den Zaren Alexander II., genannt der Befreier, verordnet, diktiert durch die Niederlage im Krimkrieg von 1853-1856, die deutlich machte, wie rückständig Russland war.
Die Aufhebung der Leibeigenschaft erfolgte ohne ein auch nur annähernd durchdachtes Konzept, wie das Riesenreich mit seiner teilweise noch mittelalterlich anmutenden Gesellschaft in die „neue Zeit“ entlassen werden sollte.
Alexander II., folgte auf den Zarenthron im 37. Lebensjahr. Er war der Sohn des Zaren Nikolaus I., der mit seinen Kosakeneinheiten wesentlichen Anteil an der Niederwerfung der Europäischen Revolution von 1848 hatte, was ihm dann den Beinamen „Gendarm Europas“ zutrug.
Er war plötzlich Mitten im Krimkrieg gestorben. Eine der Legenden um ihn will es, dass er aus Gramm über die Erkenntnis der Rückständigkeit seines Kaiserreichs, die im Verlauf des Krieges immer deutlicher wurde, sich das Leben genommen hat. Sein Nachfolger, Alexander II., kam 1881 durch ein Attentat ums Leben, während einer Spazierfahrt durch Petersburg. Der Attentäter kam aus dem terroristischen Flügel der „Freunde des Volkes/Narodnovol`cy“.
Erst durch den russisch- japanischen Krieg von 1904-1905, der für Russland auch verloren ging und der zum Krieg als Begleiterscheinung ausgebrochenen „Russlands erster Revolution“ der Jahre 1905-1907, sah sich das absolutistische Regime des Zaren Nikolaus II., unter der Hand bereits damals als „der Letzte“ genannt, (Zar seit 1894 bis zur Abdankung durch die Februarrevolution von 1917) gezwungen, vom Anspruch der Alleinherrschaft des Zartums abzurücken und den Forderungen der Straße nach parlamentarischen Rechten, d. h. nach Mitgestaltung am Staatswesen durch Volksvertreter in der Reichsduma/Parlament, nachzukommen.
Doch als in den darauf folgenden Monaten, in denen es der Autokratie noch einmal gelingen sollte, Herr über das Aufbegehren der Straße zu werden und die gemachten parlamentarischen Zugeständnisse durch die Auflösung der II. Reichsduma von 1907 teilweise wieder zurückzunehmen, da war die Chance für eine von Grund auf Umgestaltung des absolutistischen Zartums in Richtung einer parlamentarischen Monarchie, so wie es dem Kieler Prinzen, Cal Petzer Ulrich, als Zar Peter III. Fjodorowitsch bereits 1762 vorgeschwebt haben mag, für alle Zeiten vertan.
Im Lande mit der zahlreichsten Bevölkerung in Europa etablierte sich jetzt ein Regime, das in Fachkreisen den Namen „parlamentarischen Autokratie“ bekam. Um sich weiterhin an der der Macht zu halten, war es überwiegend auf Zuarbeit von konservativen bis reaktionären Kräfte angewiesen, wie der um P. Stolypin (Stolypinščina/ Stolypins Regime) oder der mit Sympathie für die „Schwarzhundertschaften“, russisch Čërnosotency“, einer Terroristenbewegung, die in den Jahren 1905-1907 als „Beschützer der Monarchie“ im Süden des Landes, besonders in den Regionen um Odessa, Pogrome/Überfälle gegen die dort ansässige jüdische Bevölkerung und politisch Andersdenkende unternahm.
Anderseits: es gab Unruhen an den Hochschulen, denn zu den intellektuellen Kreisen hatten auch sozialistische Ideen verschiedener Richtung Zugang gefunden, auch die Marxsche Lehre. Der erste Band Marxens „Kapital“ wurde ins Russische bereits 1872 übertragen.
Es gab die die terroristische Bewegung der „Narodovol´cy/Freier Volkswille“, die aus der Bewegung „Freunde des Volkes/Narodniki“ hervorgegangen waren, einer Bewegung junger Leute aus der zweiten Hälfte des 19. Jh., die ihre geistige Nahrung aus den Ideen Rousseau schöpften und davon überzeugt waren, dass das einfache Volk nur aufgeklärt werden müsse, dann wird es sich seine Unterdrücker schon selbst vom Leibe schaffen.
Mit dieser Überzeugung zogen sie ins Land zu den Bauern, zum Volk, um die „Wahrheit“ über den Zaren und das Zartum zu sagen. Daher auch ihr Name „Freunde des Volkes“, abgeleitet vom „ins Volk gehen“. Sie scheiterten mit ihrer Idee. Denn dieselben Bauern, die sie über das, ihrer Meinung nach, korrupte und menschenverachtenden Zartum aufklären wollten, lieferten sie in vielen Fällen der Polizei aus.
In der Geschichtsschreibung über die letzten Jahrzehnten des 19. Jh. des zaristischen Russland, bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs, ist ausgemacht, dass der unter den linksgerichteten Intellektuellen damals verhasste P. Stolypin, u. a. von 1906-1911 Innenminister, mit seinem durchgreifenden Vorgehen zur Umgestaltung des russländischen Gesellschaftslebens in Richtung Kapitalismus, für die Autokratie die Rettung gewesen wäre.
Stolypin hatte sich bereits davor, noch als Gouverneur von Saratow, bei der Bekämpfung des revolutionären Aufruhrs der Jahre 1905-1907 einen Namen als Scharfmacher gemacht; später als Innenminister löste er 1907 die II. Reichsduma/Parlament auf, und bei der Agrarreform, nach seinem Namen auch „Stolypinsche Agrarreform“ genannt, ging er auf der Grundlage einer Reihe von ihm eigens fabrizierter Gesetze, rücksichtslos gegen verarmte Bauern vor.
Sein Vorhaben dabei war, die Auflösung des so genannten „Mir“, eine Art gemeinsamer Haftung an Grund und Boden durch die Dorfgemeinde, ein Überbleibsel aus der Auflösung der Leibeigenschaft von 1861.
Der „Mir“ garantierte im bestimmten Umfang dem Einzelnen der Dorfgemeinde das Anrecht an Grund und Boden.
Auf Stolypin wurden mehrere Attentate verübt, die er überlebte. Jedoch am 2. September 1911 erlag er den Schüssen, die ihm tags zuvor zugefügt wurden, wehrend eines gemeinsamen Besuchs mit Zar Nikolaus II. einer Vorstellung in der Kiewer Oper. Der Attentäter war diesmal einer jener Doppelgänger, die zugleich dem Umsturz und der Polizei dienten. Daher sah sich Nikolaus II. auch veranlasst, die gerichtliche Untersuchung des Attentäters zu verhindern.
Übrigens, die Frage des „Mir“ spielte in der Korrespondenz von K. Marx mit der russländischen Revolutionärin Vera Sasulitsch/Zasulič eine bedeutende Rolle. Mit dem “Mir“ versuchte sie Marx bei der Frage nach dem Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft in Russland hinters Licht zu führen, bzw. ihn davon zu überzeugen, dass der russländische Mužik/Bauer durch den „Mir“ bereits an das kollektive Eigentum „Mir“ gewohnt sei.
Bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurde im Vielvölkerreich Russland (Russländisches Kaiserreich / Rossijskaja Imperija) verstärkte Russifizierungspolitik praktiziert, z. B. wurde in Litauen von 1861 bis 1904 der Gebrauch des Litauischen in der Öffentlichkeit unter Strafe gestellt, die Universität Warschau im so genannten Kongresspolen (gemeint ist der Teil Polens, der durch den Wiener Kongress von 1815 Russland zugeschlagen wurde und zu dessen Statthalter vom Zaren der Großfürst Konstantin Pawlowitsch bestellt wurde; er war der Bruder Alexander I., bzw. der zweitälteste Sohn des Zaren Paul I.), wurde zu einer russische Universität umgestaltet und die Ukraine durfte offiziell jetzt nur „Kleinrussland/Malorossija“ genannt werden.
Zu Anfang des 20. Jh. schlug diese Russifizierungspolitik zunehmend in einen ostslawischen Nationalismus um, genannt Panslawismus.
Und von hier führte der Weg in den Abgrund, zum Ersten Weltkrieg, einem Krieg, über den in einem bestimmten Zusammenhang Helmut Schmidt, noch als Bundeskanzler, zutreffend gesagt hat: keiner wollte ihn, doch alle haben auf ihn hingearbeitet.
Auch Alexander Solschenizyn (1918-2008), wohl der bedeutendste russische Schriftstellern des 20. Jh., hat in seinem ersten Interview im Westen, das er zu seinem 70.Geburtstag dem damaligen Chefredakteur des „Spiegel“, R. Augstein, gewährte, davon gesprochen, dass es zu Beginn des 20. Jh. zwischen Russland und Deutschland überhaupt keinen triftigen Grund zum Krieg gegeben habe, dass beide Länder nur durch den Druck von Außen, durch Verflechtung von unglücklich zustande gekommener Verträge mit geschlossenen Augen in die Gräber des Ersten Weltkriegs marschiert seien.
Und in der Tat, wie wieder mal ein russisches Sprichwort besagt: „Ein dummes Beispiel ist ansteckend/Durnoj primer zarazitel`nyj“. Da Russland seit dem II. Nordischen Krieg (1700-1721) im „Konzert der europäischen Großmächte“ eine dominierende Rolle spielte, zumindest aus machtpolitischer Sicht gedacht, konnte es nicht ausbleiben, das sein aus dem Absolutismus abgeleitetes Verständnis ohne Folgen auf seine Nachbarn im Westen blieb.
Da in den Adern Katharinas II. kein einziger Tropfen Romanowschen Bluts floss, sah sie sich gezwungen an alle, die ihr auf den Thron verholfen hatten, Dankesgaben auszuteilen, insbesondere an die Garde und jene privilegierte Gesellschaftsschicht, über die bereits der große Zar Peter I. geklagt hatte, bzw. sie als „Schmarotzer“ beschimpfte, wenn er dahinter kam, mit welchen Tricks sie versuchten, sich aus dem Dienst am Staatswesen zu stehlen.
Vierzig Jahre später versuchte es sein Enkel, als Zar-Kaiser Peter III., noch einmal anders: den Adel auf freiwilliger Basis für den Dienst am Staat zu gewinnen.
Mit dem Manifest/Gesetz vom 20. Februar 1762 „Über die Auflösung der Dienstpflicht des ganzen russländischen Adels“, wurde der Adel von dem bis dahin obligatorischen Staatsdienst befreit und bei Vergehen durfte gegen ihn körperlichen Strafe angewandt werden.
Ein Adliger konnte jetzt ungehindert ins Ausland reisen sowie in den Dienst in einem anderen, Russland nicht feindlich gesinnten, treten.
Per Ukas vom 21. April 1785 erweiterte Katharina II. dieses Manifest noch durch 17 Punkte, u. a. hieß es jetzt:
„Wir bestätigen für alle Zeiten den Erbgeschlechtern des vornehmen russischen Adels Freiheit und Unabhängigkeit“. Auch „die Ehre“ und „Untastbarkeit des Lebens und des Besitzes des Adligen wurde mit diesem Manifest garantiert.
So etablierte sich der Adel während der Regierungszeit Katharinas II. zum beherrschenden Stand. Dem adligen Gutsbesitzer wurde jetzt per Gesetz auch verbrieft, nach Belieben ihre leibeigenen Bauern in die Rekrutenlisten zum Militärdienst einzutragen und bei Ungehorsam in die Zwangslager nach Sibirien zu verbannen.
Die einfachen Fronbauern-Leibeigenen, und sie stellten immerhin die Mehrheit der russländischen Bevölkerung dar, wurden nicht einmal als Menschen wahrgenommen, sondern zu „Seelen“ degradiert.
In Sankt Petersburg, auf der „Blauen Brücke“ über die Fontanka, einem der Nebenarme der mächtigen Wasserstraße Newa, konnte man sie kaufen. Auf herumgetragenen Pappschildern wurden sie angeboten, wobei nur Leibeigene männlichen Geschlechts zählten. Die im Frondienst stehenden Frauen wurden einfach als Anhängsel zu den männlichen Fronbauern mitgerechnet. (Hierzu auch bei Jurij Lotman, Träger des Humboldt-Forschungspreises der Alexander –von – Humboldt - Stiftung:
„In der Garde akkumulierten sich jene Züge der Adelswelt, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sichtbar wurde.
Dieser privilegierte Kern der Armee, der Russlandtheoretiker, Denker, aber auch Trunkenbolde schenkte, verwandelte sich rasch in ein Mittelding zwischen Räuberbande und kultureller Avantgarde.
Und es waren gerade die Trunkenbolde, die in Augenblicken des Aufruhrs sehr oft an der Spitze zu finden waren.
So geschah es auch 1762, an einem wichtigen Wendepunkt in der russischen Geschichte, als Katharina II., damals noch die einfache Kaiserin Jekaterina Alexejewna, ihren Gatten Peter III. vom Thron stürzte und mit Hilfe ihres Liebhabers Grigorij Orlow und der wilden Gardenrotte den Thron bestieg.“ So Jurij M. Lotman in: „Russlands Adel“, Böhlau Verlag, 1997, S. 44).
Im II. „Nordischen Krieg“(1700-1721), der für Schweden verloren ging, hatten die Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf auf die „falsche Karte“ gesetzt.
1702 fiel Herzog Friedrich IV. (1671-1702) als Befehlshaber einer schwedischen Reitereinheit im Kampf bei Krakau. Er war mit der ältesten Schwester des Schwedenkönigs Karl XII. verheiratet und so mütterlicherseits Großvater des Kieler Prinzen Carl Peter Ulrichs, ab 1739 Herzog von Holstein- Gottorf und von 1762 zugleich Zar/Kaiser Peter III. von Russland.
Die Situation nutzte Dänemark, um sich das Herzogtum Schleswig anzueignen.
Am 22. August 1721 ließ sich der dänische König Friedrich IV. im Stammschloss der Gottorfer zu Schleswig von der einheimischen Bevölkerung huldigen. Der Hof Gottorfer Herzöge war jetzt gezwungen, nach Kiel auszuweichen.
Herzog Karl Friedrich selbst hatte sich bereits 1720 nach Riga begeben, um sich hier mit Zar Peter dem Großen und seiner Ehefrau, der späteren Katharina I., zu treffen.
Sein Anliegen war, beim Zaren Hilfe gegen die Besatzung Schleswigs durch Dänemark zu suchen.
Daraus wurde nichts, denn 1725 verstarb plötzlich Peter der Große.
Aber Karl Friedrichs wollte auch noch in Erfahrung bringen, ob er als Schwiegersohn für eine der beiden Töchter Peter des Großen in Betracht käme. Und hier hatte er Erfolg.
Karl Friedrichs Vorhaben, sein Herzogtum durch Heirat mit den Romanows zu verbinden, konnte verwirklicht werden. Aus einigen Quellen geht hervor, dass der Herzog sogar sich in die ältere Tochter Peter des Großen, Anna Petrowna, verliebte habe, und da auch Anna seinem beherzten Werben gegenüber nicht gleichgültig geblieben sei, wurde an höchster Stelle beschlossen, dass die beiden heiraten.
Die Trauung wurde auf den 21. Mai festgelegt, nach Gregorianischem Kalender war es der 31. Mai 1725. Doch wie gesagt, plötzlich und unerwartet im Alter von sechzig Jahren verstarb Peter der Große.
Und obwohl die angeordnete Abschiedstrauer nach der Überführung seines Leichnams zu der neuen Zarenruhestätte in der Kathedrale der Peter-Paul-Festung zu St. Petersburg noch nicht verstrichen war, ordnete seine Frau, jetzt auf dem Zarenthron als Kaiserin Katharina I., dass die Trauung der beiden stattfinden konnte. Die Hochzeit fand mit großem Aufwand in St. Petersburg statt.
Auch in Kiel, in der Kirch St. Nikolai, wurde am 8. Juli 1725 mit großem Zeremoniell nachgefeiert, allerdings ohne Abwesenheit des Paares. Im in St. Petersburg geschlossenen Ehevertrag wurde unter anderem festgehalten, dass Anna Petrowna weiterhin ihren russisch-orthodoxen Glauben beibehalten darf, auch alle aus der Ehe entstammenden Töchter sollten nach russisch-orthodoxem Ritus getauft werden. Die Söhne dagegen nach evangelisch-lutherischem Ritus.
1727, nach nur zwei Jahre der Herrschaft, verstarb Katharina I. Noch zu Lebzeiten hatte sie verfügt, dass nach ihrem Ableben den Zarenthron eines ihrer Enkel aus der Ehe ihrer Tochter Anna Petrowna mit Karl Friedrich zu erben hat. Da aber der Kieler Prinz, Carl Peter Ulrich, bei ihrem Ableben noch nicht geboren war, kam es dazu, dass auf Drängen der Vertreter aus dem altwürdigen Moskauer Bojarentum, aber auch wieder einmal durch beherztes Mitmischen Menschikows, des großen Machers und langjährigen intimen Freundes und Mitstreiters Peter des Großen, der noch minderjährige Enkel Peter des Großen aus der Linie seiner ersten Ehe auf den Zarenthron gehievt wurde, als Peter II.
Er war der Sohn von Alexej Petrowitsch, dem Sohn Peter des Großen aus seiner ersten Ehe mit Evdokija/Eudokia, den er als Thronfolger wegen grundtiefer Differenzen um die Zukunft des Russländischen Kaiserreichs 1718 hatte zu Tode foltern lassen.
Nun waren die beiden unehelich geborene Halbschwestern aus der Verbindung Peters des Großen mit Marta Skawronskaja, ab 1725 – 1727 Zarin/Kaiserin als Katharina I., Anna Petowna und die noch im Kindesalter sich befindende Jelisaweta Petrowna/Elisabeth, am Zarenhof nicht mehr gut gelitten; und so traten, von Menschikow genötigt, Herzog Karl Friedrich und seine bereits schwangere Ehefrau Anna Petrowna über die Ostsee die Reise nach Kiel an.
Als die beiden mit Begleitung in mehreren Schiffen in Kiel eintrafen und hier unter großem Jubel von der Bevölkerung begrüßt wurden, schrieb man den 26. August 1727.
Ein halbes Jahr später, in den Mittagsstunden zwischen zwölf und ein Uhr des 21. Februar 1728 (nach Julianischem Kalender am 10. Februar) kam im Kieler Schloss der beiden Söhnchen auf die Welt, der in der Kieler Schlosskapelle nach evangelisch - lutherschem Bekenntnis und sich anschließendem großem Zeremoniell in der Kirche St. Nikolai auf die Namen Carl Peter Ulrich getauft wurde.
Bedauerlicherweise und zu großem Kummer des Herzogs Karl Friedrich verstarb bereits drei Monate später die im 20. Lebensjahr stehende Mutter (1708-1728), aller Wahrscheinlichkeit an den Folgen einer verschleppten Tuberkulose.
Nach einigen Tagen, bei großer Anteilnahme der Kieler Bevölkerung, wurde ihr Leichnam nach Petersburg überführt.
Über den Verlauf der Ehe gibt es widersprüchliche Aussagen. Einerseits heißt es, sie wurde unter politischem Kalkül eingefädelt und geschlossen, und Herzog Karl Friedrich sei kein liebender Ehemann gewesen. Anderseits wiederum wird von tiefer gegenseitiger Zuneigung der Ehepartner gesprochen, auch, dass Karl Friedrich der frühe Tod seiner Frau tief getroffen habe.
Und da er zur ihrer Erinnerung 1735 den Orden der hl. Anna stiftete, spricht doch dafür, dass die Ehe, wenn auch aus politischem Kalkül zustande gebracht, gleichzeitig eine Herzensangelegenheit für beide Seiten gewesen sein dürfte.
Nachdem der Kieler Prinz Carl Peter, durch seine Tante, der Kaiserin Jelisaweta Petrowna/Elisabeth nach Petersburg gebracht und hier unter dem Namen Peter/Pjotr Fjodorowitsch zum Großfürsten und Thronfolger von Russland erklärt wurde, aber auch als ein Andenken an die von ihr geliebte Schwester, wurde der Holstein-Gottorfer Orden ins russländische Orden -und Medallienverzeichnis übernommen, als Orden der hl. Anna, und seit 1814 in vier Abstufungen.
1739 starb auch Herzog Karl Friedrich. Der Titel Herzog von Holstein-Gottorf zusammen mit allen Anderen, wie B. dem weiterhin bestehende Anspruch auf das Herzogtum Schleswig, gingen jetzt auf den elf Jahre alten Carl Peter Ulrich über.
Da er aber noch nicht volljährig war, wurde sein Onkel zweiten Grades, der Lübecker Fürstbischof Adolf Friedrich (1710-1771), zum Regenten und auch zum Vormund für ihn bestellt
Dabei bot sich dem Kieler Prinzen auch noch der Anspruch sowohl die Nachfolge auf den schwedischen Thron als auch auf den Thron des Zaren und Kaisers von Russland.
Er war der Großneffe des Schwedenkönigs Karl XII., d.h. sein Großvater väterlicherseits hatte die älteste Schwester Karl XII. zur Frau gehabt; mütterlicherseits war er der Enkel des bedeutenden russländischen Zaren-Imperators, Peter des Großen, bzw. der Neffe seiner jüngeren Tochter Jelisaweta Petrowna/Elisabeth, die 1741 durch einen Palastputsch auf den Zarenthron gehievt wurde.
Die Erziehung des Karl Peter Ulrich war von Anfang an mehr auf die schwedische Erbfolge ausgerichtet. Dafür wurde für ihn ein in schwedischen Diensten seinerzeit gestandener Beamter bestellt, der sadistisch-strenge Obermarschall Otto Friedrich Brümmer.
Dieser von Carl Peter Ulrich verhasste Brümmer durfte ihn auch noch nach Petersburg begleiten, obwohl er, so jedenfalls will es die Überlieferung, seinem Zögling von Anfang an versucht hätte, Verachtung für alles Russische einzuimpfen.
In Petersburg wurde Brümmer dann doch von der Zarin Elisabeth durch das Akademiemitglied zu Petersburg, Jacob Stählin, (1709-1785) ausgewechselt.
Stählin war in Memmingen geboren und hatte in Leipzig studiert. (Ironie des Schicksals: die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin war zu jener Zeit überwiegend von Franzosen besetzt, in der Akademie von Petersburg hatten die Deutschen das Sagen).
Stählin nahm sich mit viel Einfühlungsvermögen des ohne Eltern aufgewachsenen und von Brümmer gequälten jungen Carl Peter Ulrich, nun Peter Fjodorowitsch, an.
Man bedenke, im Alter von 14 Jahren wurde er in ein ihm absolut fremdes Land geschickt, um hier dann auf die Pflichten eines Thronfolgers getrimmt zu werden. Bei der Prüfung, der nach dem Willen der Kaiserin-Tante Peter sich zu unterziehen hatte, stellte Stählin große Wissenslücken der französischen Sprache sowie des französisch geprägten Kulturlebens fest, bescheinigte ihm aber ein ausgeprägtes Gedächtnis, Begabung für Formen von Gegenständen und eine leidenschaftliche Neigung fürs Militärische. (Hierzu: „Die Gottorfer auf dem Weg zum Zarenthron“ - eine russisch-schleswig-holsteinische Archivausstellung, 1997).
Da die Zarin Jelisaweta Petrowna unverheiratet und kinderlos geblieben war, offiziell jedenfalls, hatte sie es eilig, auch im Gedenken an ihrer Mutter, der Zarin Jekatarina/Katharina I., bereits 1742 ihren 14 Jahre alten Neffen, den Herzog von Holstein-Gottorf Carl Peter Ulrich nach Petersburg kommen zu lassen, um per Manifest am 7. November des selben Jahres ihn zum Großfürsten und Thronfolger erklären zu lassen.
Die Begründung lautete:
„Allergnädigst bestimmen wir als den Erben unseres kaiserlichen Throns unseren allerliebsten Neffen, den Sohn unser kaiserlichen Schwester seligen Andenkens, Zarevna Anna Petrovna, seine königliche Hoheit den regierenden Holsteinischen Herzog als den unseren Blutes nach Nächsten.“
Einen Tag später leisteten die Untertanen des Russländischen Kaiserreichs auf den Kieler Carl Peter Ulrich, nun den Thronfolger und Großfürst Peter/Pjotr Fjodorowitsch, den Eid.
(Ihr langjähriger Geliebter war der aus dem einfachen Volk stammende Alexej Rasumowskij, später Graf; es wird vermutet, dass sie mit ihm auch kirchlich getraut war. Vor seinem Tod hat Rasumowskij die ganze intime Korrespondenz mit Elisabeth vernichtet)
Im Februar 1726 hatte die Kaiserin Katharina I. den „Obersten Geheimen Rat“ ins Leben gerufen, der von nun die Nachfolge auf den Zarenthron zu bestimmen hatte, und gleichzeitig ihn darauf eingeschworen, dass die Nachfolge auf den Zarenthron dem Erstgeborenen aus der Ehe ihrer Tochter Anna Petrowna mit dem holsteinisch-gottorfschen Herzog Karl Friedrich gehört.
Dem „Obersten Geheimen Rat“ gehörten an:
Fürst Menschikow, ihr Geliebter aus ganz frühen Zeiten und „Herzensfreund“ ihres späteren Ehemannes Peter des Großen, der Generaladmiral Graf Apraksin, der Staatskanzler Graf Golowkin, Graf Tolstoj, Fürst Golyzin und Baron Ostermann.
Einen Monat später wurde seine Zahl durch die Neuernennung ihres bereits verwitweten Schwiegersohns, des Herzogs von Holstein-Gottorf, Karl Friedrich erweitert.
Mit der Erklärung des holsteinen-gottorfschen Prinzen zum Thronfolger „aller Reußen“ war Eile geboten, denn Kaiserin Elisabeth hatte zu befürchten, dass der „Kieler Jung“ ihr von Schweden weggeschnappt werde.
War er doch die einzige verbliebene männliche Person, in deren Adern, wie es im o. g. Manifest zum Ausdruck gebracht wurde, Blut der Romanowschen Zarendynastie floss.
Und in der Tat, am 15. Oktober 1742 wurde Carl Peter Ulrich in Schweden zum Thronfolger gewählt. Da er sich inzwischen bereits in Petersburg befand und zum russisch-orthodoxen Glaubensbekenntnis gewechselt hatte, als Peter/Pjotr Fjodorowitsch, schlug er die die schwedischen Thronfolge aus.
Die Reise von Carl Peter Ulrich nach Petersburg sie wurde vorbereitet durch Nikolaj A. Korff, General und russländischer Botschafters in Dänemark.
Er begleitete die Reise auch. Sie bestand aus einem Tross mit mehreren Wagen, die ab der Grenze zu Russland durch Schlitten ersetzt werden mussten Denn hier herrschten bereits winterliche Verhältnisse mit Schneeverwehungen. Die Pferde hatten alle Mühe voranzukommen, die Reisenden mussten wegen der unwirtlichen Witterungsverhältnisse ihre Gesichter unter schweren Decken schützen.
Fast gleichzeitig wurde von der Kaiserin Elisabeth auch die in Schwerin geborene deutsche Prinzessin Sophie Friederike Auguste von Anhalt-Zerbst nach Petersburg eingeladen, mit der Absicht, sie mit dem Thronfolger zu verheiraten, was dann auch geschah. Sophie Friederike kam nach Petersburg zusammen mit ihrer Mutter. Schwester des Fürstbischofs von Lübeck, Adolf Friedrich.
Nach dem Verzicht Carl Peter Ulrichs, jetzt als Großfürst und Thronfolger des Russländischen Imperiums Peter/Pjotr Fjodorowitsch, auf die schwedische Erbefolge, wurde zum Thronfolger der Fürstbischof Adolf Friedrich bestellt, übrigens auf Anraten von Kaiserin Elsabeth.
Die Hochzeit des Kieler Prinzen mit Sophie Friederike Auguste fand 1745 statt, nachdem beide zum russisch-orthodoxen Glauben gewechselt hatten.
Wie bereits erwähnt erhielt Carl Peter Ulrich als jetzt als Großfürst und Thronfolger von Russland den neuen Taufnamen Pjotr/Peter Fjodorowitsch, und aus der ihm angetrauten Sophie Friederike Auguste wurde Jekaterina/Katharina Alexejewna.
Der Bräutigam befand sich im Alter von 17 Jahren, die ihm angetraute Jekatarina Alexsejewna war ein Jahr jünger (1729-1796). Übrigens, das ganze Vorhaben geschah auf Vermittlung des Preußenkönigs Friedrich des Großen.
Kaiserin Elisabeth/Jelisaweta Petrowna verstarb im Dezember 1761( nach Gregorianischem Kalender war es der 5. Januar 1762). Tags darauf wurde der Großfürst Pjotr Fjodorowitsch, alias Carl Peter Ulrich, zum „Zar/Kaiser (Russländischer Imperator/Rossijskij Imperator) als Peter III./Pjotr III. ausgerufen.
( Zar Peter I., der Gruße genannt, hatte 1721 verfügt, dass das von den Moskauer Fürsten und Zaren geprägte Moskauer/Moskowiter ostslawische Zartum/Zarstwo nach dem für die Russen siegreich verlaufenen Nordischen Krieg in ein Kaiserreich/Imperium umbenannt wurde (Rossijskaja Imperija, das Ende des 19. Jh. 22,4 Millionen Qkm umfassten.
„Russland, dieses schöne Reich,
Würde mir vielleicht behagen,
Doch im Winter könnt ich dort
Die Knute nicht ertragen.“,
So H. Heine über Russland 1830.
Peter III. wollte das ändern, wollte kein Alleinherrscher/Samoderzhvec „aller Reußen“ bleiben. Mit viel Mut und in einem Turbotempo versuchte er seinem riesigen euro-asiatischem Reich ein mehr europäisches Gesicht zu geben.
( Als der „Zar-Befreier“, Aleksandr II., durch einen Anschlag aus dem Umkreis der Bewegung des der so genannten Volksbefreier/Narodovol’cy 1881 in die Luft gesprengt wurde, zählte das Zarenreich bereits 126 Millionen Untertanen, darunter 1,7 Millionen Deutsche).
Wie sich zeigen sollte, hatte Peter III. sich zu viel vorgenommen, war bei der Umsetzung seiner Reformen zu ungeduldig, vielleicht auch zu gutgläubig vorgegangen, hatte die über Jahrhunderte verkrusteten Bedingungen und den Umgang den einzelnen Gesellschaftsschichten miteinander richtig einzuschätzen vermocht - die bereits damals dominierende Schicht des Adels, die sehr dünne Schicht städtischen Bürgertums (überwiegend bestehend aus Kaufleute alten Schlags/Kupečestvo) sowie die Problematik, in Zusammenhang mit der Leibeigenschaft.
Vielleicht hat ihm zur Durchsetzung seines Vorhabens aber auch von Natur aus die dazu notwendige Härte gefehlt? (Russische Sprichwörter in dieser Richtung lauten wie z. B.: Fährst du langsamer, so kommst du weiter! Sieben Mal mäßen, einmal schneiden! Was dem Russen nicht bekommt, daran stirbt der Deutsche!).
Es geschah, dass all jene Ukase/Befehle-Anordnungen, gedacht zur Abfederung der Härten der Leibeigenschaft, zur Erweiterung der Endscheidungsfreiheit des Einzelnen, für religiösen Toleranz, sich in Schall und Rauch auflösten, und letztens Peter III. mehr geschadet haben mögen, als das Sonderfriedensabkommen mit Preußen, das von seiner Nachfolgerin, der Kaiserin Katharina II. und ihren Zuarbeitern als ein Kniefall vor dem Preußenkönig umgedeutet und so auch in die Geschichtsschreibung Russlands sowie in die der Sowjetunion übernommen wurde.
Dass diese Legende nicht der Wahrheit entsprach, dafür steht zu aller erst die Tatsache, dass auch Katharina II. letztlich mit Friedrich II. Frieden schloss und die russländischen Streitkräfte aus Preußen abziehen ließ.
Das mit Preußen abgeschlossene Sonderfriedensabkommen hatte vielleicht, wie oben bereits erwähnt, Preußen vor dem Zusammenbruch bewahrt, hat aber auch die Basis zur Beendigung des mörderischen „Siebenjährige Krieges“, der bereits damals als Weltkrieg gesehen wurde, gelegt, in dem das Russländische Kaiserreich kein besonderes Anliegen zu verteidigen hatte, sondern sich vor den Wagen Frankreichs und Österreich sich hat spannen lassen.
Die Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit Preußen liefen zunächst nicht gradlinig.
Peter III. versuchte hier in erster Linie freie Hand gegenüber Dänemark zu bekommen, das den Gottorfern seit 1721 das Herzogtum Schleswig geraubt hatte.
Seit ihm als Zar/Kaiser von Russland gehörte Schleswig-Holstein-Gottorf gewissermaßen zum Hoheitsgebiet des Russländischen Kaiserreichs, zumindest zu seinem Einflussgebiet. Doch verhielt sich Friedrich II. in den Verhandlungen was Dänemark betraf nicht eindeutig.
Einerseits war ihm Russlands drohende Haltung gegenüber Dänemark recht, anderseits aber wollte er eine militärische Auseinandersetzung zwischen Russland und Dänemark vermeiden.
In seiner nur ein halbes Jahr angehaltenen Regierungszeit hatte Peter III. 220 Erlasse, Manifeste und Verordnungen verfügt, unter ihnen 14 Manifeste, wie z. B. die zwei von großer Bedeutung:
„Über die Aufhebung der Dienstpflicht für den ganzen russländischen Adel“
und
„Über die Auflösung der Geheimen Kanzlei“, einer Einrichtung, die mit dem KGB aus Zeiten der UdSSR verglichen werden könnte.
Verordnung,, die Folter untersagte, zur „Aufhebung der Folter“ und mehrere Erlasse zur Enteignung von Eigentum an Latifundien der russisch-orthodoxen Kirche.
Eine Verordnung, die die Altgläubigen/Starovery vor Verfolgung schützte.
2008 waren es 280 Jahre seit der Ermordung Peter III.
Praktisch bis hin zur Auflösung der Sowjetunion wurde ein Bild aufrechterhalten, das ihn als unfähigen Herrscher darstellt, teilweise auch als Zaren, der Russland als ein Nebenland von Holstein-Gottorf zu regieren versucht hat.
Auch in den gängigen Standartwerken zur russischen/russländischen Geschichte, die nach dem Krieg in der Bundesrepublik erschienen sind, wurde dieses Bild übernommen, wie z.B. in „Russische Geschichte“ von Günther Stöckel, in der dreibändigen „Geschichte Russlands“ von Valentin Gittermann, in Hans von Rimschas „Geschichte Russlands“.
Bei H. von Rimscha ist über den Putsch und Ermordung Peter III. sinngemäß wie folgt zu lesen:
Der Putsch gegen Zar Peter III. hat keinen Tropfen Blut, aber viel Schnaps gekostet, den Katharina II. an die Garde verteilen ließ und den sich die Soldaten, durch das freudige Ereignis ermutigt, auf dem Weg zum Putsch durch Plünderungen der Weinhandlungen in solchen Mengen beschafften, dass die Kaiserin zwei Jahre später den so geschädigten eine Abfindung in Höhe von 34.300 Rubeln – damals eine ungeheuere Summe – zusprechen musste.
Nach Beendigung der eigentlichen Putsch-Aktion floss dann doch noch Blut.
Und weiter:
Ohne viel Gegenwehr habe Peter am 29. Juni 1762 die ihm vorgelegte Abdankungserklärung unterschrieben, mit der er sich einverstanden erklärte „weder als Alleinherrscher/Samoderžavec noch in irgendeiner anderen Form das russische Reich regieren zu könne“.
Anschließend habe er gebeten, ihm seinen Mops, seine Geige und seine Geliebte zu lassen, und ins Ausland, in seine Heimat Holstein, ausreisen zu dürfen. Den Mops und die Geige habe seine Ehefrau, Katharina, ihm zugestanden. Doch ins Ausland ausreisen ließ sie ihn nicht, sondern verfügte, ihn auf das kaiserliche Jagdschloss Ropscha bei Sankt Petersburg zu internieren. Hier wurde er in einem karg bestellten Raum unter Wache gestellt. In mehreren Briefen, die er in diesen Tagen an seine Frau gerichtet hat, beschwerte er sich über die unwürdige Unterbringung, ohne Toilette, ohne Möglichkeit sich zu waschen.
In all den oben erwähnten Werken zu russischen/russländischen Geschichte, wo es um die Absetzung Peters III. geht, wird von einem Putsch, Palastputsch, sogar von einer Damenrevolution gesprochen. In Wirklichkeit war es ein Mordkomplott, das die fünf Orlow-Brüder zusammen mit einer Schar von Trunkenbolden aus der Garde russischer Offiziere mit Wissen Katharinas durchgeführt haben.
Grigorij Orlow war zu dieser Zeit ihr Geliebter. Von ihm hatte sie am 11. April 1762 auch einen Sohn zur Welt gebracht, den späteren Grafen Alexej Bobrinskij. Über diese Beziehung seiner Frau war Peter III. unterricht, hatte aber, wie sich herausstellen sollte, rechtzeitig mit Konsequenz dagegen vorzugehen.
Wie Zar Peter III. letztlich ums Leben gekommen ist, bleibt für alle Zeiten im Dunkeln.
Immer wieder wurde davon ausgegangen, dass der damals 25 Jahre alte Alexsej Orlow, der Bruder von Grigorij Orlow, ihn persönlich zu Tode gewürgt habe. Er hatte auch den Ukas zur Bewachung Peters III. übertragen bekommen.
In mehren Briefen an die inzwischen zur Kaiserin erklärte Katharina II. hatte er über das Verhalten und letztlich das Ableben Peter III. Bericht erstattet.
In einem dieser Briefe vom 2. Juli 1762 hat es geheißen: „Das Scheusal ist krank geworden. Ich fürchte, er könnte sterben. Aber ich fürchte noch mehr, er könnte wieder aufleben.“
Und dann im nächsten Brief vom 6. Juli 1762: „Matuschka, barmherzige Kaiserin! Wie soll ich’s erklären, beschreiben, was geschehen ist. Nichts wirst Du deinem treuen Knecht glauben, aber vor Gott werde ich die Wahrheit sagen. Matuschka! Ich bin bereit zum Tode, aber ich weis selbst nicht, wie das Unheil geschehen ist. Wir sind verloren, wenn Dun nicht Gnade für uns hast. Matuschka! Er weilt nicht mehr auf der Welt…..“ (Matuschka, wörtlich übersetzt – Mütterchen, wohlgemerkt, zu der Zeit befand sich Katharina II. im 34. Lebensjahr).
Die Briefe sind im Original nicht mehr vorhanden. Peters Sohn, seit 1796 – 1801 als Kaiser Paul I./Pavl I Petrowitsch, hat sie eigenhändig vernichtet. (Hierzu G. v. Rimscha: „Geschichte Russlands“, 1970)
Elena Palmer durch ihre akribischen Forschungen über Zar Peter III. („Peter III.- Der Prinz von Holstein“, Sutton Verlag, 2005) ist jedoch zum Ergebnis gekommen, dass den entscheidenden Würgegriff, der zum Tode des Exkaisers geführt hat, der Komponist Georgij N. Teplow getan haben muss, der zusammen mit dem Schauspieler Fjodor G. Wolkow von Anfang an am Tatort des Geschehens zugegen war.
Es ist wohl davon auszugehen, dass Katharina II. den Mord an ihrem Ehemann nicht verfügt und letztlich auch nicht gewollt hat.
Aber die Mörder wurden auch nicht zu Rechenschaft gezogen, sondern sind von ihr als Kaiserin mit Auszeichnungen und allerlei Vergütungen überschüttet worden.
Am 6. Juli hatte Katharina II. ein Manifest herausgebracht, in dem sie die Absetzung Peters III. zu rechtfertigen versuchte; und als dann die Nachricht vom Ableben des Exkaisers eingetroffen war, ließ sie ein Communique fabrizieren, durch welches dem Volk verkündet wurde, dass der Exkaiser, wie schon öfters, einen hämorrhoidalen Anfall erlitten habe und ungeachtet aller nur erdenklichen ärztlichen Hilfe einer äußerst akuten Kolik zum Opfer gefallen sei.
Bei der der öffentlichen Verkündigung dieses Communiques spielte sie mit Tränen überströmtem Gesicht die von Schmerz gepeinigte Witwe.
Inzwischen beginnt die Bewertung Peter III. als Zar/Kaiser von Russland sich auch in den öffentlichen Darstellungen über ihn zu wandeln.
In deutschen Darstellungen sei hier nochmals auf die bereits oben erwähnte Arbeit „Peter III. – Der Prinz von Holstein “ von Elena Palmer hingewiesen;
aber auch auf den Artikel „Zar Peter III., gottorfscher Herzog und russischer Großfürst“ von Svetlana Dolgova und Marina Osekina zum Katalog zur Ausstellung „Die Gottorfer auf dem Weg zum Zarenthron“, Schleswig 1997.
Auf russischer Seite ist es vor allem der bekannte Historiker Alexej Mylnikow/A. Mylnikov, der die von Katharina II. und ihren Handlangern seinerzeit gestreuten Unterstellungen und Lügen nicht mehr bereit ist kritiklos zu übernehmen und weiterzuleiten.
In seinen Forschungen über Peter III., die für den Russisch kundigen Leser vorliegen - als Buch, Mylnikov A.S.: „Pëtr III“, 2002, und „Povestvovanie v dokumentach“, Molodaja gvardija, 2009, ISBN 978 5-235 03244-6, zu bestellen über Michael Ebstein/slavic-books-export, Guardinistraße 162, 81375 Muenchen Deutschland.
Mylnikow geht hier der Frage nach, in welchem Verhältnis die aus jenen Jahren immer wieder weitergereichten Unterstellungen zur Wirklichkeit stehen.
Im Kapitel „ Zar Peter III. – ein zufälliger Gast oder der große Reformer?“ des Buches „Pëtr III“ geht Mylnikow solchen Behauptungen nach, wie z. B., Peter III. sei lebenslang ein Kind geblieben und habe sich kindisch gebärdet.
Anstatt sich ernsthaft mit der Problematik seines Riesenreichs auseinanderzusetzen, habe er die Zeit mit Puppenspiel, mit Kasperltheater und mit dem Drill seiner holsteinischen Hofgarde vergeudet.
Vielleicht ist auch etwas davon wahr? Wahr, so Mylnikow hier, ist aber auch, dass er bereits als Thronfolger sich ernsthaft mit Musik und Malerei beschäftigt habe und seine Fertigkeit im Geigespielen, die er sich von den am Zarenhof in Brot stehenden italienischen Musikern hat vervollkommnen lassen, so gut gewesen seien, dass er als Geigenspieler im Orchester zur Aufführung von Opern am Hof ohne Weiteres mithalten konnte – so nach Berichten seines Erziehers in Petersburg, des oben bereits erwähnten Akademikers Jacob von Stählin.
Auch ein Bücherwurm sei er gewesen.
Im Schloss Oranienbaum, das ihm als Thronfolger-Residenz von seiner Tante, der Zarin Jelisaweta Petrowna, zu Verfügung gestellt wurde, hatte er ein „Haus der Bilder/Kartinnyj dom“, d. h. eine art Bildergalerie einrichten lassen, u. a. mit Werken von Tiziano, Veronese, Watteau; hatte hier einen Konzertsaal und ein Operntheater errichten lassen sowie eine Schauspielerschule gegründet.
Im Kapitel des Buches „ Drei Schritte zur bürgerlichen Gesellschaft“ setzt sich Mylnikow mit den Manifesten „Über die Aufhebung der Dienstpflicht für den russländischen Adel“ sowie „Über die Auflösung der Geheimen Kanzlei“ auseinander, und mit den Erlassen und Verordnungen zur Verstaatlichung von Latifundien der russisch-orthodoxen Kirche.
Aber auch woanders, z. B. in russischen Internetseiten, wird die kurze Regierungszeit Peters III. heute anders geschildert.
Über das Sonderfriedensabkommen im „Siebenjährigen Krieg“ mit Preußen, mit dem Zar Peter III. von russischer Seite bis zur Auflösung der Sowjetunion als ein Handlanger Friedrich des Großen in Verbindung gebrandmarkt wurde, ist in den russischen Internetseiten sinngemäß wie folgt zu lesen:
Zar Peter III.
beendete den für Russland unnötigen Krieg mit Preußen und schloss mit einem der herausragendsten Heeresführern Frieden. Der „Siebenjährige Krieg“ entsprach nicht den Interessen Russlands. Die in diesem Krieg kämpfenden russischen Soldaten dienten hier nur als Kanonen-futter für das Anliegen Frankreichs und Österreichs.
Zusammen mit Mitarbeitern aus seiner Umgebung, wie dem Kanzler M. I. Woronzow, dem Feldmarschall und Fürsten N. J. Trubezkoj , dem aus der Verbannung zurückgeholten Münnich und anderen wurde ein umfangreiches Programm zu Reformen erarbeitet, durch das Russland auf gleiche Augenhöhe zu den anderen herausragenden Staaten Europas gebracht werden sowie den Untertanen des Reichs ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen sollte.
Dieser Zar hat in seiner nur ein halbes Jahr angehaltenen Herrschaft für Russland bis dahin nicht gekannte liberale Gesetze/Manifeste erlassen.
W. Toerner, Juni 2009
Der Autor:
Wolfgang Toerner M. A.
Studiengang - Slavische Philologie, Osteuropäische Geschichte, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Vilnius/Litauen, Münster in Westfalen und Kiel. Von 1971 bis 1998 Leiter des Fachbereichs Fremdsprachen an der VHS der Landeshauptstadt Kiel. Eigenständige päd. Arbeit, wie z. B. Leitung von Sprachkursen in Russisch und Litauisch., Vortragsreihen zur Geschichte Russlands, Litauens, Ostpreußens sowie zur russischen Literaturgeschichte.
***
Die Ausstellung des Kieler Zarenvereins erlaubt den Besuchern einen faszinierenden Einblick in das Leben und Wirken eines aufgeklärten Fürsten am St. Petersburger Hof, dessen soziales Reformwerk weitsichtig geplant und von großem Verantwortungsgefühl für das russische Volk geprägt war.
„Die Abschaffung der Folter und der Geheimpolizei,
die Förderung religiöser Toleranz, erste Maßnahmen zur Aufhebung der Leibeigenschaft
sowie wichtige Wirtschaftsreformen machen deutlich,
dass der Holsteiner Zar seiner Zeit weit voraus war,“
so die Einschätzung des Vorsitzenden des Kieler Zarenvereins Jörg Ulrich Stange.
Das Reformwerk des Zaren blieb jedoch unvollendet.
Seine Gattin Katharina II. arrangierte ein Mordkomplott, dem er zum Opfer fiel. Katharina die Große setzte als seine Nachfolgerin schließlich viele Reformen fort und erzielte für Russland eine Modernisierung nach westlichem Vorbild.
An ihrem Gemahl ließ sie dagegen kein gutes Haar und verbreitete in ihren Memoiren allerlei Spott und üble Nachrede.
Die Ausstellung überzeugt darin, dass sie nunmehr die falschen Behauptungen Katharinas widerlegt
und
dank aktueller Forschungen russischer Historiker und Recherchen der Ausstellungskuratoren eine neue Perspektive auf die Biografie des Regenten wirft.
Eine Ausstellung des Kieler Zarenvereins in Kooperation mit dem Museumsverbund Nordfriesland.
Eine Ausstellungsbroschüre ist gegen eine geringe Schutzgebühr erhältlich. Laufzeit: 14.05. - 25.06.2017 Öffnungszeiten:
März bis Oktober: Di bis So, 11 bis 17 Uhr Die Ausstellungen im Schloss vor Husum werden von der Nord-Ostsee-Sparkasse unterstützt. Weitere Informationen zum Termin
Die Ausstellung wurde am 14. Mai um 15 Uhr im Rittersaal des Schloss vor Husum eröffnet.
[Herr Wolfgang Timm / Carl-Huter-Zentral-Archiv / CHZA / Helioda1 war vor Ort anwesend, hatte anschließend noch Gespräche mit Herren Haupenthal und Jörg Ulrich Stange vom Kieler Zarenverein in lockerer Atmosphäre.]
Der Vorstand:
Vorsitzender: Jörg Ulrich Stange
Stellvertretende Vorsitzende: Marlies Rist
Stellvertretender Vorsitzender: Olaf Studt
Schriftführer: Martin Schulz
Schatzmeister: Konstantin Arnaut
Elena Palmer (2005) Peter III. Der Prinz von Holstein. Sutton: Erfurt. ISBN 3-89702-788-7
Angefangen hat alles im Jahr 2002, als Elena Palmer, eine Journalistin russischer Herkunft, als Auslandskorrespondentin einer amerikanischen TV Produktionsgesellschaft nach Kiel kam um hier Material für ihre Berichte über die Ostsee-Region zu sammeln.
Zu dieser Zeit wurden in Russland und in den USA schon seit einigen Jahren Nachforschungen über den aus Kiel stammenden russischen Zaren Peter III. angestellt, denn es bestanden schon immer Zweifel, ob der verunglimpfte Herzog von Holstein-Gottorf tatsächlich so ein schlechter Mensch war, wie man ihn aus zahlreichen negativen Schilderungen zu kennen glaubt.
Unbestreitbare Fakten über Peter III. zeichnen nun ein ganz anderes Bild von dem letzten holsteinischen Herzog, dessen Leben so tragisch und früh durch seine Rivalen beendet wurde.
Trotz dieser eindeutigen Evidenz ist bei uns in Deutschland immer noch die alte offizielle Version über das Leben und Lebenswerk des unglücklichen Holsteiner Herzogs präsent. Man redet hier nicht wirklich gerne über ihn, so als ob man sich dafür schämen müsste, ihn als Landsmann zu haben.
Dass der Herzog während seiner Herrschaft in Russland progressive Reformen in Gang gesetzt hat, ist eine wissenschaftlich nachgewiesene Tatsache.
Nur wie konnten solche progressiven Ideen im Kopf eines „Nichtsnutz“ und „Holsteinischen Säufers“ geboren werden? Etwas scheint mit diesem gesamten Geschichtsbild nicht zu stimmen, und genau diese Ungereimtheiten sind wahrscheinlich der Ursprung unseres beständigen Schweigens.
Aber was wäre, wenn Peter III. gar kein „Nichtsnutz“ und „Säufer“ gewesen wäre? Was wäre, wenn die gesamte offizielle Version über diese Zeitperiode in der gemeinsamen deutsch-russischen Geschichte nichts als Schwindel gewesen wäre, der das Vertrauen der Menschen an offizielle Dokumente geschickt ausgenutzt hat?
Diesen Fragen und deren Beantwortung hatte sich Elena Palmer angenommen und mit ihren Recherchen begonnen. Sie wollte nicht nur herausfinden was Peter III. gemacht hat, sondern auch was für ein Mensch er in Wirklichkeit gewesen ist. Ihr großer Vorteil war natürlich, dass sie sich in Kiel, sozusagen an der Quelle der Informationen, befand.
Beispielsweise begann sie ihre Arbeit im Kieler Stadtarchiv, wo bereits der erste überraschende Fund auf sie wartete.
Sie entdeckte dort die Aufzeichnungen des Kieler Bürgers Herr Kozschitzky über seinen direkten Vorfahr Pastor Hosmann, den Lehrer und Erzieher des kleinen Peters.
Durch diese einzigartige primäre Quelle erhielt Elena Palmer Einblicke in Peters Kindheit, die klar und deutlich den höchsten Bildungsgrad des „Nichtsnutzes“ beweisen, sowie auch über seine Lerngier, seinen mutigen Charakter, seine Liebe zur Heimat und die Bereitschaft sie zu beschützen.
Dank ihrer Kenntnisse in sowohl Alt-russischer als auch Alt-deutscher Sprache hatte sie Zugang zu bisher nicht oder nicht korrekt gelesenen Dokumenten in deutschen und russischen Archiven.
Ein Beispiel für ihre Arbeit ist die folgende Entdeckung:
Aus einem historischen Buch wird in vielen anderen Geschichtsbüchern zitiert, dass der russische Zar Peter III. sehr unreif und kindisch sei und während seiner Zeit als Kronprinz anstatt sich für seine kaiserlichen Pflichten vorzubereiten, seine ganze Zeit mit seiner „Spielzeug Armee“ verbrächte und – was für ein „infantiler, irrsinniger Soldafon!“ - „für sein eigenes Amüsement mit lebendigen Menschen, wie mit Marionetten spielte, um Spaß zu haben.“
Und obwohl der Begriff „Spielzeug-Armee“ von Anfang an sehr rätselhaft klingt und überhaupt nur in Bezug zur russischen Geschichte zu finden ist, hat sich keiner der Historiker die Mühe gegeben, den Begriff genauer zu untersuchen und seinen wahren Inhalt zu verstehen.
Und so wurde die oben genannte Behauptung über Peters angebliche unseriöse Spielleidenschaften einfach so hingenommen und weitergegeben.
Elena Palmer aber konnte mit ihren Alt-russisch Kenntnissen aufdecken, dass diese Behauptung nichts weiter als das Ergebnis eines linguistischen Fehlers ist. Das russische Wort „Potecha“ hat in Alt-russischen und in Neu-russischen verschiedene Bedeutungen. Und zwar bedeutet es im Neu-russischen „Spiel“, im Alt-russischen bedeutet es aber eben nicht „Spiel“, sondern „Nahkampf“.
Wenn also alte russische Quellen aus dem 17. und 18. Jahrhundert über den „Potecha“ oder die „Potesch’naja Armee“ berichten, meinen sie damit „Nahkampf“ und eine „Nahkampfarmee“.
Die Armee, mit der Kronprinz Peter seine Zeit verbrachte, war also die russische Infanterie, und die „Spielchen, die er mit Soldaten trieb, um Spaß zu haben“, waren Übungsmanöver.
Und es muss wohl jedem klar sein, dass er damit gerade seine kaiserliche Pflicht erfüllte.
Wenn man noch die Tatsache in Betracht zieht, dass in Europa gerade der 7-jährige Krieg herrschte (den Peter übrigens als sinnlos und räuberisch bezeichnete und sofort beendete sobald er an die Macht kam), war seine Beschäftigung mit der russischen Armee eher ein Zeichen seines reifen und cleveren politischen Verstandes und ist bei Weitem nicht als „kindisch“ oder „unreif“ zu bezeichnen.
Solche und ähnliche Entdeckungen ergaben sich in der Arbeit von Elena Palmer immer wieder.
Das Ergebnis dieser ausgiebigen und eingehenden Recherchen ist ein sehr überzeugendes und klares Bild von Zar Peter III., das ihn als einen gebildeten, weitsichtigen Herrscher, mutigen Reformer und eine vielseitig talentierte Person zeigt, die als Opfer einer Verschwörung in der kaiserlichen Familie, fast wie in einem Drama von Shakespeare, getötet und später auch noch verunglimpft wurde.
Dieses Bild hat Elena Palmer sehr geschickt und anschaulich in ein Buch verpackt, das nicht nur als historisches Fachbuch, sondern auch als mutige bürgerliche Tat zu schätzen ist. Denn es ist das erste und bis jetzt immer noch einzige Buch in deutscher Sprache, das sich diesem Tabuthema widmet und der offiziellen Darstellung ohne wenn und aber direkt widerspricht.
„Denn es geht mir ausschließlich darum, dass die Wahrheit über Peter III. auch in Deutschland, seinem Heimatland, bekannt wird“, so Elena Palmer
Wohl nicht umsonst wurde schon vor 250 Jahren folgende geheimnisvolle Prophezeiung gemacht:
„Peter der Dritte wird auferstehen, um Ehre und Vergötterung zu tragen. Und nur wenige wird es erstaunen“.
(Schleswig-Holsteinisches Landesarchiv, Autor unbekannt)
Vielleicht ist die Zeit dazu nun endlich gekommen?
Wenn auch Sie wissen möchten, womit Peter III. unsere Ehre und Anerkennung verdient hat, finden Sie in diesem Buch die Antworten.
Text: Elena Palmer
Dafür tritt der russische Zar Peter III., dargestellt von Helmut Grieser, höchstpersönlich auf. Er wird begleitet von einem Barockensemble, das eine historische Szene vom Sankt Petersburger Zarenhof spielen wird.
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