Kieler „Akropolis“ im Winterschlaf
Mit einem opulenten Buch, einem Symposium und guten Verbindungen zur Kieler Stadtpolitik soll dem Kieler Schloss zu neuem Glanz verholfen werden
Ein geschichtlicher Überblick | Freundeskreis Kieler Schloss
http://freundeskreis-kielerschloss.de/geschichte/Neues Buch: Das Kieler Schloss auf 380 Seiten – KN - Kieler Nachrichten
http://t.kn-online.de/News/Aktuelle-Nachrichten-Kultur/Nachrichten-Kultur/Neues-Buch-Das-Kieler-Schloss-auf-380-SeitenKIEL Es ist ein alter Gag mit traurigem Wahrheitsgehalt: Direkt vor dem Kieler Schloss wird von Touristen oft nach dem Weg zum Schloss gefragt – weil es schlicht als solches nicht zu erkennen ist.
Dabei könnte es die „Akropolis“ von Kiel sein, frohlockt der Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Andreßen.
Zusammen mit seiner Frau Cordula haben er und der „Freundeskreis Kieler Schloss“ es sich auf die Fahnen geschrieben, diesen historischen Ort in der Landeshauptstadt in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.
Mit einem opulenten Buch, einem Symposium und guten Verbindungen zur Kieler Stadtpolitik und der Universität hat man sich jetzt daran gemacht, das Schloss aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken.
Zur Vorstellung des Buches, das jetzt im Wachholtz Verlag erschienen ist, kamen immerhin über 150 Besucherinnen und Besucher.
Andreßen will die Entwicklung dieses Ortes über dessen Geschichte in Gang setzen.
Hier wurde 1728 Herzog Carl Peter Ulrich von Schleswig-Holstein-Gottorf geboren, der spätere Zar Peter III.
Startseite - Ein Denkmal in Kiel für Carl Peter Ulrich
Sonderausstellung: 255 Jahre Peter III. zugleich Herzog von Holstein-Gottorf | Husum Tourismus
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Manche Persönlichkeiten nutzten das Schloss als Haupt- und Nebenresidenz oder als Witwensitz, etwa Friederike Amalie, die Witwe des Universitätsgründers Christian Albrecht.
Als letzter lebte dort Prinz Heinrich von Preußen, bis er seine Residenz während der Novemberrevolution 1918 fluchtartig verlassen musste.
Bevor Preußen 1864 mit dem Sieg über den dänischen Gesamtstaat auch Schlossherr wurde, war es Besitz des Hauses Schleswig-Holstein-Gottorf, zu dem auch der Herzog von Oldenburg zählte. Dessen vierfacher Urenkel, seine „Hoheit“ Herzog Johann von Oldenburg, ließ es sich nicht nehmen, dem Festakt der Buchvorstellung im Kieler Schloss beizuwohnen.
Der 77-jährige Nachfahre aus Lensahn freute sich auch über das neue Engagement von Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer, der besonders für die 24 Millionen Euro teure Sanierung des Konzertsaals die Werbetrommel rührt:
„Bei solch einer Unterstützung durch den Oberbürgermeister, so der Herzog, ist das alles in ganz guten Bahnen.“
Kämpfer lobte die Initiative für die Kieler Geschichte des seit 2003 privatisierten und derzeit teils notgenutzten Schlosses und erteilte Vorstellungen eines Einkaufszentrums an diesem Ort eine deutliche Absage:
„Wir müssen Qualitäten schaffen, wir brauchen einen sanierten Konzertsaal und das Schloss als ein offenes Haus.“
Auch der Platz davor solle belebt werden, so Kämpfer, etwa durch Cafés.
Er sieht das im Kontext großer Anstrengungen zur Umgestaltung der Innenstadt wie der Neubebauung des Schlossquartiers, der Alten Feuerwache und dem jetzt gestarteten Bau des „Kleinen Kiel-Kanals“, der die historische Wasserverbindung um die Altstadt wieder anschaulich machen soll.
Als der Oberbürgermeister in Begleitung von Oldenburg vor das Schloss tritt, blickt er erfreut auf den Baufortschritt des angrenzenden „Schlossquartiers“ zum Alten Markt hin:
„Man kann sich richtig vorstellen, wie der Vorplatz hier einmal wirken wird.“ Dann erläutert er der Oldenburger „Hoheit“, wo sich zwischen Konzertsaal und Eingang ein Café im Außenbereich gut machen würde.
Allerdings:
Allein mit saniertem Konzertsaal und Café dürften Unkundige sich auch weiterhin auf die Suche nach einem „Schloss“ in Kiel machen, dass man Jahrhunderte lang durchaus als ein solches erkennen konnte, bis 1944 die Bomben des Zweiten Weltkriegs große Teile zerstört hatten.
Danach wurde es im modernistischen Stil der 1960er Jahre neu aufgebaut – und futsch war der alte Charme.
Aber auch hier hat Andreßen seine Leute im Boot:
Der Architekt Erhart Kettner hatte schon als Abiturient 1949 die Trümmer des Schlosses und seine historischen Erscheinungen gezeichnet.
Jetzt hat er einen Entwurf vorgelegt, wie man die einstigen Renaissance-Giebel des Gebäudes mit modernen Mitteln für Wohnungsbau nachempfinden könnte. Das Schloss hätte dann zumindest ein kronenartiges Staffeldach –
ob das dann den Weg zur „Akropolis“ weisen würde, müsste sich indes erst zeigen.
Jens Rönnau
Geschichtlicher Überblick
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http://freundeskreis-kielerschloss.de/geschichte/Das Kieler Schloss in Kiel in Schleswig-Holstein
war eine der Nebenresidenzen der Gottorfer Herzöge. Das Schloss konnte eine abwechslungsreiche Baugeschichte vorweisen und wurde in der jüngeren Kunstgeschichte als einer der bedeutendsten Profanbauten Schleswig-Holstein bezeichnet.
Das Schloss brannte während des Zweiten Weltkrieges aus. Die Ruine wurde anschließend größtenteils abgetragen und durch einen Neubau ersetzt.
Fürstliche Residenz Stadt Kiel in Holstein, 1727, Blei- und Federzeichnung von F. B. Wevn.
Vom Mittelalter in die Neuzeit
Das Kieler Schloss hatte seinen Ursprung in einer Burg des Mittelalters, die vermutlich bereits 1242 zur Zeit der Gründung Kiels errichtet wurde und die Siedlung an einer schmalen Landzunge zwischen Kieler Förde und Kleinem Kiel schützen sollte.
Bauherr war der Stadtgründer Adolf von Schauenburg. Im 15. Jahrhundert kam das Schloss durch die Auswirkungen des Vertrags von Ribe in den Besitz des dänischen Königs Friedrich I., der an der mittelalterlichen Burg einige moderne Erweiterungen vornehmen ließ und sie so zu einem Schloss erweiterte.
Sein Sohn Adolf begründete als Adolf I. das Herzogtum Schleswig-Holstein-Gottorf, dem die Stadt Kiel samt Schloss zugeschlagen wurden. Unter Herzog Adolf wurden im Land zahlreiche neue Schlösser errichtet.
Wie auch in Reinbek, Husum und Tönning wurde in Kiel ein Neubau errichtet, der das alte Schloss um einen großen Renaissancebau erweiterte.
Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert
Das Schloss war zu dieser Zeit eine Nebenresidenz.
Hauptsitz und Regierungszentrum des Herzogtums war das Schloss Gottorf.
Das Kieler Schloss diente der herzoglichen Witwe Christine von Hessen bis 1604, ebenso wie anschließend Sophie von Mecklenburg bis 1631 als Witwensitz.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Schloss mehrmals besetzt und die Ausstattung dabei zum Teil geplündert.
1665 wurde im Schloss die Gründungsfeier zur Stiftung der Christiana-Albertina, der Kieler Universität, begangen.
Der alte Schlossflügel Friedrichs I. stürzte 1685 aufgrund von Baufälligkeit teilweise ein. Nach den Plänen des Architekten Domenico Pelli ließ Friederike Amalie, Christian Albrechts Witwe, von 1695 bis 1697 den West- und Südflügel neu errichten (Pelli- oder Amalienbau).
Nach dem Ende des Großen Nordischen Krieges wurden Schleswig und Holstein aufgeteilt.
Das Herzogtum Schleswig wurde von da an in Personalunion durch den dänischen König regiert. Aus diesem Grund wurde die Stammresidenz der Gottorfer, das Schloss Gottorf aufgegeben, und das Kieler Schloss wurde kurzzeitig Hauptresidenz des jetzt nur noch über Holstein regierenden Gottorfer Herzogs Karl Friedrich.
Das Schloss war der Geburtsort seines Sohnes Karl Peter Ulrich, des nachfolgenden Herzogs und späteren russischen Zaren Peter III.
Nach Peters Tod übernahm Katharina die Große die Regierungsgeschäfte, unter ihr wurde der Renaissancebau des Schlosses zu einem großen, barocken Palais umgestaltet. Sie entsagte ihren Ansprüchen in Schleswig-Holstein im Vertrag von Zarskoje Selo vom 27. August 1773.
Das Herzogtum Holstein ging nun für die nächsten 89 Jahre ebenfalls an den dänischen König, der feierliche Übergabeakt wurde im Kieler Schloss abgehalten.
Ostflügel mit dem nordwestlichen Turm hinter den Bäumen der Rantzaubau (Westflügel), Aufnahme von 1893, Blickrichtung Westen, Photo: Wilhelm Dreesen
Vom 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg
Im 19. Jahrhundert diente das Schloss unterschiedlichen Zwecken.
Es stand zeitweise der Universität zur Verfügung und war von 1848 bis 1851 Sitz der Schleswig-Holsteinischen Landesversammlung.
Während des Deutsch-Dänischen Krieges diente es als Lazarett und militärisches Hauptquartier.
In der Preußischen Zeit bekam das Schloss wieder einen bedeutenden Bewohner, von 1888 bis 1918 diente es als Wohnsitz des Prinzen Heinrich von Preußen.
Der Prinz diente als Großadmiral in der Kaiserlichen Marine, während Kiel zum bedeutendsten Marinehafen des Kaiserreichs aufstieg.
Nach dem Ersten Weltkrieg verlor das Schloss seine Bedeutung.
Prinz Heinrich zog sich auf sein Gut Hemmelmark zurück und das Schloss wurde Verwaltungssitz und nahm die Landesbibliothek auf.
In den 1930er Jahren wurde geplant, das Gebäude zu einem Haus der Landeskultur zu machen.
Seit dem Zweiten Weltkrieg
In den Luftangriffen des Zweiten Weltkrieges erlitt das Schloss starke Zerstörungen und brannte nach einem Angriff am 4. Januar 1944 bis auf die Grundmauern aus.
Dabei wurde auch die wertvolle Möbelsammlung vernichtet, die zum Teil aus anderen holsteinischen Schlössern wie Plön stammte.
Der in den 1960er Jahren neu errichtete Ostflügel beherbergte in den oberen Stockwerken die Landesbibliothek. Die unteren Geschosse mit teilweise sehr hohen Räumen und der daran anschließende Anbau wurden zum Kulturzentrum „Kieler Schloss“.
Dort war unter anderem das Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein untergebracht.
Der Anbau beherbergt einen Konzertsaal und ein Regionalstudio des NDR.
Der Westflügel wurde von der Volkshochschule genutzt.
An Stelle des abgetragenen Südflügels wurde ein aufgestelzter Flachbau gebaut und Historische Landeshalle genannt.
Das Kulturzentrum wurde 2003 privatisiert.
Landesbibliothek und Landesamt für Denkmalpflege zogen in den weiter südlich gelegenen Sartori & Berger-Speicher um.
Jährlich finden im Schlosskomplex um die 300 verschiedene Veranstaltungen mit bis zu 200.000 Besuchern statt.
Seit 2005 steht der gesamte Schlosskomplex – einschließlich der Nachkriegsbauten – unter Denkmalschutz.
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