Do. 18.5. Vernissage »Was macht der Poet: Theodor Mommsen und Theodor Storm 1817–2017«
Eröffnung der Sonderaustellung im Storm-Haus (Laufzeit bis zum 31.10.).
Begrüßung: Dr. Christian Demandt, Einführung durch den Kurator Dr. Ole Petras (Kiel). [Aufgrund kurzfristiger Absage / Verhinderung übernahm Herr Demandt diesen Part].
Lesung: Nino Moritz.
Storm-Haus, 19.00 Uhr
Eintritt frei. Um Anmeldung wird gebeten bis zum 15. Mai.
[Herren Hans-Jürgen Hansen, WestkuesteNet und Wolfgang Timm, Carl-Huter-Zentral-Archiv, beide Husum, waren vor Ort].
Do. 30.3. Karl Ernst Laage: »Theodor Storm zum 200. Geburtstag. Aufsätze, Untersuchungen, Dokumente« (Buchvorstellung). [W. Timm / Carl-Huter-Zentral-Archiv / Helioda1 war vor Ort].
Der Begründer der modernen Storm-Forschung stellte sein Buch zum Festjahr vor. Mit 25 Dokumenten aus dem Leben Theodor Storms und den dazugehörigen Ergebnissen aus 50 Jahren Forschertätigkeit.
Der Reigen beginnt gleich mit einem Falscheintrag von Storms Geburtstag im Husumer Kirchenbuch.
[Im neuen Schimmelreiter-Zimmer fachsimpelten Herr Ehrenpräsident der Theodor-Storm-Gesellschaft und sein Sohn mit Herrn Hans-Jürgen Hansen bezüglich historisch lokalisierbarer Anregungen für das Spätwerk Theodor Storms Der Schimmelreiter].
Das Storm-Museum
Im Storm-Haus befindet sich das Storm-Museum.
Das Storm-Haus, Wasserreihe 31, ist das Haus, das der Dichter 1866–1880 bewohnt hat. Es ist ein altes Husumer Kaufmannshaus mit 14 Zimmern und stammt aus dem Jahre 1730. Das Treppenhaus, die Flure, Decken und Türen sind original aus dieser Zeit bzw. aus der Stormzeit erhalten.
Hof und Garten
Treppenhaus im Stil eines Alt-Husumer Bürgerhauses
Schreibtisch mit Nolde-Eulen, an dem Storm den Schimmelreiter vollendete
Wohnzimmer des Dichters (u.a. mit Original-Klavier und Original-Biedermeiersofa)
Landvogtei
Arbeitszimmer (»Poetenstübchen«), in dem Storm u.a. die Gedichte Über die Heide und Geh nicht hinein sowie über 20 Novellen geschrieben hat, u.a. Pole Poppenspäler, Aquis submersus und Carsten Curator.
Das Storm-Zentrum
Archiv, Forschungsbibliothek und Museum
Im Juni 2006 wurde das Storm-Zentrum eröffnet.
Es verbindet das Museum in der Wasserreihe mit der Forschungsbibliothek und dem Storm-Archiv (StA Husum). Die Mitarbeiter des Archivs bemühen sich, die Sammlungen fortwährend zu vervollständigen und den Forschern aus aller Welt zur Verfügung zu stellen.
Der Storm-Gesellschaft,
derzeit auf ca. 1150 Mitglieder angewachsen und damit eine der größten literarischen Vereinigungen in Deutschland, gehören auch ausländische Mitglieder aus ca. 20 Ländern an, vor allem Wissenschaftler, die an Germanistischen Seminaren überall in der Welt über Theodor Storm arbeiten.
Besucht man das Archiv, so fällt auf, dass sich die Auslandsgermanistik intensiv mit dem Werk des Husumer Dichters auseinandersetzt. Vor allem Wissenschaftler aus folgenden Ländern stehen mit dem Storm-Archiv in Kontakt:
Dänemark, England, Frankreich, Schweiz, Österreich, Italien, Russland, China, Indien, Japan, Neuseeland, Australien, USA, Kanada und Südafrika.
Die Mitarbeiter des Storm-Archivs sind bemüht, Anfragen aus aller Welt fachgerecht zu beantworten; nach Anmeldung kann jeder Interessierte das Archiv besuchen und die Bestände einsehen.
Das Storm-Archiv
Der wertvollste Teil des StA ist die Handschriftensammlung, die Entwürfe, Manuskripte und Briefe sowie weitere Familienpapiere der Storms umfasst. Sie wird ergänzt durch die umfangreiche Sammlung von Photokopien der Handschriften und Briefe Theodor Storms und vieler Verwandter und Freunde.
Kernstück der Sammlungen ist die Bibliothek mit über 6.000 Bänden.
Hier werden alle Veröffentlichungen von und über Theodor Storm gesammelt und durch weitere Bücher ergänzt. Sie umfasst Erstausgaben der Werke Storms, Gesamtausgaben, Gesammelte Werke, Einzelausgaben, Literatur über Storm, Briefausgaben, Übersetzungen, Literatur von und über Zeitgenossen Storms sowie die Bereiche allgemeine Literaturwissenschaften, Regionalliteratur, Musikalien und Kunst. So sind etwa 1.600 Titel von Kompositionen bekannt, von denen die meisten erst noch für das Archiv beschafft werden müssen.
Die allgemeine Bibliothek wird ergänzt durch »Storms Bibliothek«, in der versucht wird, die Bücher, die Theodor Storm besessen (oder gelesen) hat, im Original oder in gleichen Ausgaben zu erfassen. Das ist für Einzeluntersuchungen wichtig, weil aus der Kenntnis der Bücher, die im Besitz eines Dichters waren, vielfach Aufschlüsse über Schreibvorgänge gewonnen werden können. Auch verstehen wir Bemerkungen, die Storm und seine Briefpartner über zeitgenössische Literatur ausgetauscht haben, besser, wenn wir ihre damalige Lektüre kennen.
Eine weitere Ergänzung der Bibliothek stellen die Archivmappen dar, in denen ca. 10.000 Broschüren, Kopien, Zeitungsausschnitte etc. zu unterschiedlichen Themen und Bereichen gesammelt werden. Alle Sammelobjekte werden durch Kataloge erschlossen (ca. 20.000 Karteikarten), ohne die eine fachgerechte Benutzung unmöglich wäre.
Das dritte Standbein des StA bildet das Bildarchiv mit ca. 10.000 Bildern (Originale und Photographien) von Storm, seinen Familienmitgliedern und Freunden, von Zeitgenossen, Stormstätten in und um Husum sowie ganz Deutschland, sowie eine Sammlung von mehr als 6000 Dias und einigen hundert Bild-Postkarten.
Schließlich gibt es eine Mediensammlung (Schallplatten, Tonkassetten und Videobänder fast aller Storm-Verfilmungen) und eine Kunstsammlung, in der Bilder und Graphiken von Storms Zeitgenossen, Illustrationen, Bildnisse des Dichters, Graphiken und Gemälde aus Storms Besitz sowie Photos solcher Objekte (im Bildarchiv) gesammelt werden.
Theodor Storm
Lebensstationen
1817–1842 Elternhaus, Vorfahren, Schule und Studium
1843–1852 Als Rechtsanwalt in Husum
1853–1864 Im preußischen Exil
1864–1880 Landvogt und Amtsrichter in Husum
1880–1888 Alter in Hademarschen
Biografische Literatur zu Theodor Storm finden Sie hier
Elternhaus, Vorfahren, Schule und Studium (1817–1842)
1817 – Hans Theodor Woldsen Storm wird am 14. September in Husum, Markt 9, als Sohn des Rechtsanwalts Johann Casimir Storm (1790–1874) geboren; Mutter: Lucie, geb. Woldsen (1797–1879).
1821 – Umzug in das Haus der Großeltern Woldsen, Hohle Gasse 3.
1833 – Erstes Gedicht An Emma.
1834 – Erste Gedichtveröffentlichung Sängers Abendlied im »Husumer Wochenblatt« vom 27. Juli 1834.
1835 – Im Herbst Umschulung in die Prima des Katharineums in Lübeck; dort Freundschaft mit Ferdinand Röse, der ihn mit Goethes Faust und der Lyrik Heines und Eichendorffs bekannt macht.
1837 – Beginn des Jura-Studiums in Kiel; Storm schreibt ein Märchen und Gedichte für Bertha von Buchan; Verlobung mit der 17-jährigen Emma Kühl von Föhr.
1838 – Entlobung; Studium in Berlin, Bildungsreise nach Dresden. Veröffentlichung von Gedichten in den »Neuen Pariser Modeblättern«.
1839 – Rückkehr zur Universität Kiel; Freundschaft mit Theodor und Tycho Mommsen.
1842 – Bertha von Buchan weist Theodors Heiratsantrag zurück. Juristisches Staatsexamen in Kiel. Beginn der Sammlung von Sagen und Reimen aus Schleswig-Holstein. Seit Herbst lebt Theodor wieder in Husum.
Als Rechtsanwalt in Husum (1843–1852)
1843 – Zunächst arbeitet Storm in der väterlichen Kanzlei; Anfang des Jahres eröffnet er eine eigene Rechtsanwaltskanzlei; Gründung eines gemischten Gesangvereins. Veröffentlichungen im Volksbuch auf das Jahr 1844 und im Liederbuch dreier Freunde.
1844 – Verlobung mit seiner Cousine Constanze Esmarch, Tochter des Bürgermeisters von Segeberg; Beginn eines ausführlichen Briefwechsels. Teilnahme am Nordfriesenfest in Bredstedt.
1845 – Einzug in das Haus Neustadt 56. Karl Müllenhoff gibt die Sagensammlung mit vielen Beiträgen von Storm zum Druck.
1846 – Eheschließung mit Constanze. Weitere Arbeiten für die Volksbücher.
1847 – Liebesverhältnis zu Dorothea Jensen, leidenschaftliche Liebesgedichte, z.B. Rote Rosen; Marthe und ihre Uhr im Volksbuch veröffentlicht.
1849 – Storm engagiert sich für die nationale Unabhängigkeit Schleswig-Holsteins; Immensee (1. Fassung).
1850 – Niederlage der Schleswig-Holsteiner bei Idstedt; Beschießung von Friedrichstadt.
1852 – Storms Bestallung als Rechtsanwalt wird kassiert; er ist nicht bereit, eine Loyalitätserklärung gegenüber der Dänischen Krone abzugeben. Stellungssuche, erste Reise nach Berlin. Mit der Veröffentlichung der 2. Fassung von Immensee wird Storm im deutschsprachigen Kulturraum als Dichter bekannt. Die erste Sammlung seiner Gedichte erscheint.
Im preußischen Exil (1853–1864)
1853 – Storm bemüht sich in Berlin um eine Stelle im preußischen Justizdienst; schließlich wird er zum preußischen Gerichtsassessor (zunächst ohne Gehalt) ernannt; Wohnung in Potsdam. Storm schließt sich dem »Tunnel über der Spree« an. Bekanntschaft mit Fontane, Paul Heyse, Franz Kugler, Friedrich Eggers u.a.
1854 – Gedicht Für meine Söhne, Novelle Im Sonnenschein.
1855 – Besuch bei Eduard Mörike in Stuttgart.
1856 – Freundschaft mit dem Immensee-Illustrator Ludwig Pietsch; Ernennung zum Kreisrichter in Heiligenstadt; Übersiedlung ins Eichsfeld.
1859 – In der Heiligenstädter Schaffensphase entstehen bedeutende Erzählungen, so die Novellen Auf dem Staatshof und Veronika, in denen Storm seine zunehmend kritischere gesellschaftspolitische Position darstellt.
1862 – Knecht Ruprecht; neben der Novelle Im Schloss, in der er seine demokratische Gesinnung veranschaulicht, konzipiert Storm eine Reihe von Märchen (Bulemanns Haus, Die Regentrude, Der Spiegel des Cyprianus).
1864 – In Folge des Deutsch-Dänischen Krieges besiegen preußisch-österreichische Truppen die Dänen. Storm wird zum Landvogt des Kreises Husum gewählt; er scheidet aus dem preußischen Staatsdienst aus und kehrt nach Husum zurück.
Landvogt und Amtsrichter in Husum (1864–1880)
1864 – Im März tritt Storm sein Landvogt-Amt in Husum an.
1865 – Tod Constanzes. Gedichtzyklus Tiefe Schatten; Novelle Von Jenseit des Meeres. Reise nach Baden-Baden zu Iwan Turgenjew.
1866 – Vermählung mit Dorothea Jensen; Umzug in das Haus Wasserreihe 31.
1868 – Nach Aufhebung des Amtes des Landvogts wird Storm preußischer Amtsrichter; die erste Auflage der Sämmtlichen Schriften erscheint.
1870 – Storm stellt das Hausbuch aus deutschen Dichtern seit Claudius. Eine kritische Anthologie zusammen. Freundschaft mit dem Illustrator Hans Speckter.
1872 – Draußen im Heidedorf (erste Novelle, die sich »aus den vorgetragenen Tatsachen« entwickelt); Reise nach Leopoldskron bei Salzburg zum österreichischen Politiker und Schriftsteller Julius Schindler, der unter dem Namen »Julius von der Traun« Erzählungen veröffentlichte.
1874 – Ernennung zum Oberamtsrichter; Pole Poppenspäler entsteht als Auftragsarbeit; es handelt sich um Storms einzige eigens für die Jugend geschriebene Erzählung.
1876 – Aquis submersus; Meine Erinnerungen an Eduard Mörike.
1877 – Beginn der Freundschaft und des Briefwechsels mit Gottfried Keller und mit dem Literaturprofessor Erich Schmidt; Carsten Curator. Storms Novellistik entwickelt sich in Richtung auf eine kompromisslose Realistik.
1878 – In der Novelle Renate thematisiert Storm gesellschaftspolitische Veränderungen seiner Zeit im Gewand der Geschichtserzählung (Chroniknovellen).
1879 – Gedicht Geh nicht hinein.
1880 – Storm wird auf eigenen Wunsch pensioniert und beschließt, mit seiner Familie Husum zu verlassen.
Alter in Hademarschen (1880–1888)
1880 – Umzug nach Hademarschen, um »als Poet noch eine neue Periode zu beginnen«; Neubau einer großzügigen Villa; Die Söhne des Senators.
1881 – An Gottfried Keller schreibt Storm: »Die ›Novelle‹ ist die strengste u. geschlossenste Form der Prosa-Dichtung, die Schwester des Drama's.«
1881/1882 – Mit seinen Erzählungen Der Herr Etatsrat und Hans und Heinz Kirch setzt Storm die Kritik am Bürgertum der Gründerzeit fort und thematisiert den Verfall der Familie.
1884 – Zur Chronik von Grieshuus; Festbankett in Berlin zu Ehren Storms.
1885 – John Riew'; Ein Fest auf Haderslevhuus.
1886 – Reise nach Weimar zur Jahresversammlung der Goethe-Gesellschaft; Bötjer Basch; Beginn der Arbeit am Schimmelreiter. Schwere Krankheit.
1887 – Ein Doppelgänger; Ein Bekenntnis; Reise nach Sylt; Sylter Novelle (Fragment). Zur Feier seines 70. Geburtstags wird der Dichter in ganz Deutschland geehrt.
1888 – Vollendung der Novelle Der Schimmelreiter; Tod Storms am 4. Juli; Beisetzung am 7. Juli in der Familiengruft auf dem Husumer St. Jürgen-Friedhof.
[Anmerkung W. Timm / Carl-Huter-Zentral-Archiv / Helioda1: Familie Laage stammt mW. aus Kiel. Im Bild Herren Laage jr. und Laage sr.]
Kiel (1837–1838/1839–1842)
Im April 1837 immatrikulierte sich der 19-jährige Theodor Storm an der juristischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und nahm Wohnung in der Kehdenstraße 20. Kiel war noch eine beschauliche Kleinstadt im dänischen Gesamtstaat mit rund 12.000 Einwohnern. Auch die Anzahl von 200 bis 300 Studenten blieb recht übersichtlich.
Seinem Studienfach »ergab« Storm sich »ohne besondere Neigung«. Dennoch waren seine Erwartungen an das Studentenleben hochgespannt, wichen aber bald der Ernüchterung:
»Da bin ich denn nun seit einem Vierteljahre unter deutschen Studenten selbst ein deutscher Student. Ich hätte mir den deutschen Studenten anders gedacht:
Ein Gemisch aus ritterlicher Galanterie, traulicher Heiterkeit, Begeisterung für seinen freien Stand; Geist und Herz und Gefühl für alles Schöne. – Aber was finde ich von alle dem? [...] Ich möchte sagen, der Kieler, und ich glaube sagen zu können, der deutsche Student ist entweder ein Mensch, der viel kneipt und trinkt, alle Naselang auf der Mensur liegt, sich in Gemeinheiten gefällt, eben von nichts anderem redet, als von Kneipereien und Paukereien, sich irgend ein schmuckes Dienstmädchen hält, auch wohl die Farben irgend einer Verbindung und, wenn er ihn hat, einen Schnauzbart trägt und nebenbei etwas ins Kolleg geht, oder er ist arbeitsam, eingezogen, einseitig oder einfältig.«
Vier Jahre später – Storm ist nach einem eineinhalbjährigen Wechsel an die Berliner Universität wieder in Kiel – hat sich der Studiosus von seinen romantischen Vorstellungen über das Studentenleben verabschiedet und kommentiert seinen alten Tagebucheintrag als »dummes Zeug«. Storm wohnt jetzt im Hause des Hofbäckermeisters Andersen in der Flämischen Straße 12.
Er ist Mitglied einer »Clique«. Diese nennt er stolz eine »kleine übermütige und zersetzungslustige Schar [...], die geneigt war, möglichst wenig gelten zu lassen«.
Die jungen Leute, vor allem der gleichaltrige Theodor Mommsen und dessen Bruder Tycho, begeistern sich zudem für Literatur.
Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg
Auf den Spuren der Brüder Grimm sammeln die drei Studenten volkstümliche Erzählungen aus der Heimat wie Spukgeschichten und Schwänke, Märchen und Sagen.
Unterstützt werden sie dabei von dem Kieler Hilfsbibliothekar Karl Müllenhoff, der die Sammlung 1845 als Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg unter eigenem Namen herausgibt und damit seine Karriere als bedeutender Germanist begründet.
Liederbuch dreier Freunde
Man beschränkt sich jedoch nicht auf das Entdecken und Sammeln von literarischem Volksgut. Unter Theodor Mommsens Leitung verschaffen sich die drei Freunde einen Überblick über das, was in der zeitgenössischen Lyrik Geltung besitzt: Eichendorff, Heine, Mörike, Rückert ... und eifern ihren Vorbildern mit eigenen Gedichten nach.
Die Ergebnisse bleiben meist konventionell, wenn auch bisweilen artistisch virtuos – wie bei Theodor Mommsen – oder mit ersten Ansätzen zu einer eigenen Handschrift – wie bei Theodor Storm.
Zugleich fehlt es nicht an Mut und Selbstbewusstsein, so dass die drei Kommilitonen beschließen, ihren lyrischen Ertrag in einem Liederbuch dreier Freunde zu veröffentlichen, das 1843 in der Kieler Schwers'schen Buchhandlung erscheint.
Storm steuert über 40 Gedichte dazu bei.
Neben frechen studentenhaften Provokationen und Fiedel-Liedern findet sich auch tief Empfundenes und Nachdenkliches, so die lyrische Verarbeitung von Theodor Storms heikler Liebe zu Bertha von Buchan.
Als 19jähriger Gymnasiast war Storm erstmals der damals Zehnjährigen in Hamburg begegnet. Aus Kiel sandte er ihr eigene Gedichte und das für sie verfasste Kindermärchen Hans Bär.
Er verliebt sich in die Zwölfjährige und macht der Sechzehnjährigen während seiner Examenszeit schließlich einen Heiratsantrag, der von ihr abgelehnt wird.
Literarische Ernte
Nach überlanger Studiendauer und mit einem Berg Schulden schloss Storm seine Kieler Universitätszeit 1842 mit dem juristischen Staatsexamen ab und kehrte in seine Vaterstadt Husum zurück.
Neben seinem Brotberuf wandte er sich zunehmend der Dichtung zu und verarbeitete darin – z.T. erst nach Jahrzehnten – seine Erfahrungen im Kieler Studentenmilieu.
Die Novellen Immensee (1849), Der Herr Etatsrat (1881) und Zur Chronik von Grieshuus (1884) geben davon Zeugnis.
Besonderen Raum findet das Kieler Studentenleben in der Erzählung Auf der Universität (1862).
Text: Walter Arnold (Heikendorf)
Walter Arnold und Dagomar Heinz laden ein zu einem Spaziergang durch Kiel auf den Spuren seiner Dichterinnen und Dichter.
Storm-Häuser in Husum
Häuserfront am Binnenhafen zu Storms Zeit
Theodor Storm fühlte sich ein Leben lang seiner Geburtsstadt Husum verbunden.
Bis in die 1870er-Jahre hinein hatte die Stadt »ein ziemlich alterthümliches Gepräge, viele Häuser noch mit Treppengiebeln« bewahrt, wie Storm 1873 an die österreichische Schriftstellerin Ada Christen schrieb.
Dieses Stadtbild hatte seine Prägung im 16. Jahrhundert erhalten, als Husum eine wirtschaftliche Blütezeit erlebte.
Auf Storm übte es einen eigentümlichen Reiz aus. Häuser, die im 18. Jahrhundert seinen Vorfahren mütterlicherseits gehört hatten, vermittelten ihm zudem »den Eindruck der alten und älteren Zeit« (Storm 1873).
Der Dichter hat diese Häuser zu Schauplätzen einiger seiner Prosawerke gemacht wie auch andere von ihm in Husum bewohnte Häuser.
Über sein Elternhaus, das im 18. Jahrhundert von seinem Urgroßvater errichtete Haus Hohle Gasse 3, schreibt Storm:
»Von Allen, die einst darin lebten und starben, war eine Spur zurückgeblieben; uns, die wir ihres Blutes waren, trat sie überall entgegen und gab uns das Gefühl des Zusammenhanges mit einer großen Sippschaft« (Von heut' und ehedem, 1873/74).
Diese »Spur« zu suchen war ein produktiver Grundantrieb von Storms dichterischem Schaffen:
»Die Spur von meinen Kinderfüßen sucht' ich … doch konnt' ich sie nicht finden«, heißt es in einem Gedicht.
»Storm widmete nicht von ungefähr den Familienhäusern in Husum eine Vielzahl von Beschreibungen in seinen Novellen«, hat die Literaturwissenschaftlerin Regina Fasold dazu bemerkt:
»Seine Raumcharakteristika vermitteln allerdings neben dem sichernden und identitätsstiftenden ›Gefühl des Zusammenhangs mit einer großen Sippschaft‹ auch ein geradezu gegenteiliges Erlebnis, das für Storm so charakteristische beunruhigende Vergänglichkeitsempfinden.
Seine Imaginationskraft bindet sich in den Räumen an tote Dinge, die für ihn mit großer Macht in das einst Lebendige hinabreichen und die ihm so auch zu Zeichen der Geschichte als Verfallsgeschichte werden, an dessen Ende er einsam zu stehen scheint. Man befindet sich hier bereits in einem zentralen Spannungsfeld der gesamten späteren Stormschen Dichtung« (Regina Fasold: Theodor Storm. Stuttgart/Weimar 1997, S. 3).
Die lokale Wirklichkeit hinter dieser Dichtung zu rekonstruieren, um von hier aus nachzuvollziehen, wie Storm Wirklichkeit literarisiert, also literarisch funktionalisiert, bieten die Storm-Stätten in Husum einzigartige Möglichkeiten (Link zum Projekt Literaturgeographie am Lehrstuhl von Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Detering).
Markt 9
Markt 9. Ansicht von Jan Hamkens (1863–1918). Rekonstruktion
Geboren wurde Storm am 14. September 1817 im Haus Markt 9,
das sein Vater, der Advokat Johann Casimir Storm, im Jahr zuvor gekauft hatte.
Das schlichte zweigeschossige Haus lag im Zentrum der Stadt, das meist patrizisch großzügig bebaut war, es wirkte hier eher kleinbürgerlich. Dies wird auch der Grund dafür gewesen sein, dass seine Fassade1868 im Sinne des Historismus umgestaltet, »aufgewertet«, und auch später noch mehrfach verändert wurde.
Die ursprüngliche Ansicht der Fassade ist nicht überliefert; wahrscheinlich kommt eine wohl um 1900 entstandene Rekonstruktion dem ursprünglichen Aussehen nahe.
Das Haus ist ein Schauplatz von Theodor Storms Novelle Drüben am Markt (1861), es ist das Wohnhaus des »Doktors«, des Schneidersohnes, der vergeblich um die Hand der Tochter eines reichen Kaufherren und Zweiten Bürgermeisters anhält.
Theodor Storm lebte nur einige wenige Monate in dem Haus, denn 1818 erwarb Johann Casimir Storm das Gebäude Neustadt 56, das die Familie nun bezog und bis 1821 bewohnte.
Theodor Storms Mutter Lucie Storm entstammte der Husumer patrizischen Famile Woldsen.
Nachdem Simon Woldsen, der Vater Lucie Storms und Großvater Theodor Storms, 1820 verstorben war, zog die Familie im darauffolgenden Jahr zur Großmutter Magdalena Woldsen in das Haus Hohle Gasse 3. –
Das Haus Neustadt 56 wurde später (1845–1853) ein zweites Mal von Theodor Storm bewohnt.
Text: Holger Borzikowsky (Husum)
Hohle Gasse 3
1821 zog die Familie Storm zur Großmutter Magdalena Woldsen in das Haus Hohle Gasse 3. Es ist das bedeutendste bis heute in Husum erhaltene Beispiel bürgerlicher Bautätigkeit im 18. Jahrhundert.
Errichten ließ es Storms Urgroßvater, der Kaufmann und Zuckerfabrikant Friedrich Woldsen, um 1770 für den Sohn Simon. Ein die Zentralachse der Straßenfront betonender Giebel wie auch ein 1777 seitlich an das Gebäude angebautes Kontor- und Packhaus sind nicht erhalten.
Im Inneren des Hauses ist bis heute ein reiches Rokokoambiente mit Türen und Stuckaturen des 18. Jahrhunderts bewahrt.
Zusammen mit dem in Theodor Storms Kindheits- und Jugendjahren noch erhaltenen beweglichen Inventar der Rokokozeit und den Berichten der Familienangehörigen, die schon bewusst im 18. Jahrhundert gelebt hatten, weckte es im jungen Storm ein Faible für diese Zeit, das der Dichter in verschiedenen Prosaerzählungen literarisch verarbeitet hat (z. B. "Im Saal", "Im Sonnenschein").
Sie war ihm zugleich gedankliches Refugium in Phasen eigener Lebenskrisen, Möglichkeit zur Flucht aus der bedrängenden „peinlichen Wirklichkeit“ (Storm 1854). Dass sie bereits vom Schatten der Vergänglichkeit eingeholt ist, bleibt dem Dichter gegenwärtig und gehört auch zu dieser Wirklichkeit.
Friedrich Woldsen,
der »letzte große Kaufherr, den die Stadt gehabt hat, der seine Schiffe in See hatte und zu Weihnachten einen Marschochsen für die Armen schlachten ließ« (Theodor Storm, Aus der Jugendzeit, Erstdruck: 1888), bewohnte das schräg gegenüber liegende Haus Hohle Gasse 8, dieses ist zusammen mit Hohle Gasse 4 Schauplatz von Storms Novelle Die Söhne des Senators (1880). Das Haus Hohle Gasse 8 ist heute nur stark verändert erhalten.
Theodor Storm war zunächst Schüler der Husumer Gelehrtenschule, er schloss 1837 den Schulbesuch in Lübeck ab.
Das Studium der Rechtswissenschaften beendete er im Oktober 1842 und wurde Mitarbeiter in der Anwaltspraxis seines Vaters in Husum.
Die Praxis befand sich im Haus Hohle Gasse 3.
Theodor Storm eröffnete schließlich im April 1843 in Husum eine eigene Anwaltspraxis und zwar im Haus Großstraße 11. Dieses Gebäude ist nicht erhalten.
1845 zog Storm dann in das Haus Neustadt 56.
Text: Holger Borzikowsky (Husum)
Neustadt 56
Bereits 1818 hatte Storms Vater Johann Casimir das Haus erworben. Theodor Storm verbrachte hier seine ersten Lebensjahre, bis die Familie 1821 das Haus Hohle Gasse 3 bezog.
1845 kehrte Storm dann in das Haus Neustadt 56 zurück, das Eigentum seines Vaters geblieben war.
Nach seiner Heirat mit Constanze Esmarch 1846 wurden in diesem Haus die drei Söhne, Hans, Ernst und Karl geboren.
Im Haus Neustadt 56 verfasste Storm erste Prosaskizzen, die Novelle Immensee (1850) und Gedichte wie Oktoberlied (1848) und Die Stadt (1851). Später machte er es zum Schauplatz der Novelle Der Herr Etatsrat (1881).
1853 nahm die Familie Abschied von diesem Haus und Husum, um ins Exil nach Potsdam und später Heiligenstadt zu gehen.
Storm hatte in den Wirren der schleswig-holsteinischen Erhebung gegen den dänischen König für die Sache Schleswig-Holsteins gestritten. Daher weigerte sich die dänische Regierung 1852, seine Zulassung als Advokat zu bestätigen.
Text: Holger Borzikowsky (Husum)
Süderstraße 12
1864 kehrte die Familie nach Husum zurück, Storm war zum Landvogt nach Husum berufen worden,
leitete somit die Justiz- und Polizeibehörde für den Landbezirk Husum.
Die Familie bezog das Haus Süderstraße 12, das Eigentum der Stadt Husum war.
Storm hatte für die Räumlichkeit der Landvogtei selbst zu sorgen. Das Wohnhaus bot hierfür zu wenig Platz, und so richtete er die Landvogtei in einem Nebengebäude im Garten ein.
Im Haus Süderstraße 12 verstarb Constanze Storm am 20. Mai 1865 nach der Geburt der Tochter Gertrud.
Unter dem Eindruck des Todes Constanzes schrieb Storm in den folgenden Tagen in diesem Haus den Gedichtzyklus Tiefe Schatten:
In der Gruft bei den alten Särgen
Steht nun ein neuer Sarg,
Darin vor meiner Liebe
Sich das süßeste Antlitz barg.
(Erste Strophe des ersten Gedichts)
Text: Holger Borzikowsky (Husum)
Wasserreihe 31
Storm, der im Jahr 1866 Dorothea Jensen heiratete, erwarb im gleichen Jahr das Haus Wasserreihe 31.
Die Bau- und Nutzungsgeschichte dieses Gebäudes ist in einzelnen Facetten erforscht und im Ganzen recht kompliziert.
In seinem vorderen Teil stammt es aus der Zeit um 1730/40 und ersetzte einen vielleicht noch spätmittelalterlichen Bau.
Den rückwärtigen Teil ließ Storm 1868 errichten.
Im Jahre 1868 wurde das Amt des Landvogtes aufgehoben, Storm wurde nunmehr Amtsrichter am preußischen Amtsgericht zu Husum.
Mit der Übernahme dieses Amtes war allerdings eine Kürzung seines Gehaltes um ein Drittel verbunden.
Storm sah sich nun gezwungen, die untere Etage seines Hauses zu vermieten. In dieser unteren Etage war ursprünglich die Landvogtei untergebracht, deren Raum wurde nun frei, denn für das Amtsgericht mietete der preußische Staat anderweitig Räume in Husum an.
So zog sich die Storm-Familie in das Obergeschoss des Hauses Wasserreihe 31 zurück. Dort befand sich im rückwärtigen Anbau v. 1868 das Arbeitszimmer des Dichters, das »Poetenstübchen« (Ferdinand Tönnies), in dem zahlreiche Novellen, sonstige Prosawerke und Gedichte entstanden. - Das Haus ist Schauplatz der Novelle Viola tricolor (1874).
Theodor Storm hat 14 Jahre im Haus Wasserreihe 31 gelebt,
1880 zog die Familie nach Hademarschen in Holstein um.
Im Jahre 1969 konnte die Stadt Husum das Haus erwerben, sie stellte es der Storm-Gesellschaft zur Verfügung.
Seit 1972 befindet sich in ihm das Storm-Museum.
In liebevoller Detailarbeit konnte die Wohnatmosphäre der »Storm-Zeit« rekonstruiert werden durch Erwerb zahlreicher Einrichtungsgegenstände aus Storms Nachlass.
Sie werden eindrucksvoll ergänzt durch Dokumente zu Storms Leben und Wirken.
Zum Museum
Text: Holger Borzikowsky (Husum)
Alter Schützenhof
Der ehemalige Schützenhof der bis heute fortbestehenden »Husumer Schützengilde von 1586« ist Hauptschauplatz von Theodor Storms Novelle Pole Poppenspäler. Die zuerst 1874 veröffentlichte »Puppenspielergeschichte« (Storm brieflich an Paul Heyse 1873) ist heute eine der meistgelesenen Erzählungen des Dichters.
Theodor Storm beschreibt in der Novelle das Gebäude: »Du kennst unseren Schützenhof in der Süderstraße; auf der Haustür sah man damals noch einen schön gemalten Schützen, in Lebensgröße, mit Federhut und Büchse […]. Das alte zweistöckige Haus wurde von Niemandem weder bewohnt noch gebraucht […]; nur in dem öden weißgekalkten Saale, der fast das ganze obere Stockwerk einnahm, produzierten mitunter starke Männer oder durchreisende Taschenspieler ihre Künste.« Dort im Festsaal der Gilde, deren Vereinsleben im 19. Jahrhundert zeitweise fast ganz zum Erliegen gekommen war, gibt auch der »Mechanikus und Puppenspieler« Joseph Tendler »aus der Residenzstadt München« seine Vorstellungen, beginnend mit dem Stück »Pfalzgraf Siegfried und die heilige Genovefa«.
Die Fassade des Gebäudes mit der heutigen Zählung Süderstraße 42 wurde 1874 neugotisch überformt, in jüngerer Zeit jedoch teilweise wieder zurückgebaut. Im Kern stammt das ehemalige Gildehaus, das 1885 in Privathand überging, wohl aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. Die Gründung der Gilde wurde vermutlich vom Landesherrn Herzog Adolf von Schleswig-Holstein-Gottorf (1526–1586) gefördert; Schützengilden hatten insofern Interesse für die Landesherrschaft, als sie neben ihrer sozialen Funktion (gegenseitige Unterstützung der Schützenbrüder, Förderung des Zusammenhaltes durch Schützenfeste) auch militärische Aufgaben als Bürgerwehren erfüllen konnten.
Text: Holger Borzikowsky (Husum)
St. Jürgen
Das »Gasthaus zum Ritter St. Jürgen« in Husum (an der Straße »Osterende« gelegen) hat bis heute trotz baulicher Veränderungen viel von jener Atmosphäre bewahrt, die Theodor Storm in seiner Novelle In St. Jürgen (1868) beschrieb.
Das »Gasthaus« ist als Armen- und Siechenhaus vermutlich im 15. Jahrhundert gegründet worden (erster urkundlicher Nachweis 1465).
Ursprünglich eine kirchliche Einrichtung, die dem Heiligen Georg – niederdeutsch: Jürgen – gewidmet war, lag es zunächst noch außerhalb (östlich) der Siedlung Husum.
Nach der Reformation brachte man seine Insassen zeitweilig in einem aufgelassenen Franziskanerkloster unter, bis sie einen
1563–1571 wohl an der Stelle des ursprünglichen Anwesens errichteten Neubau beziehen konnten.
Die Ortsbezeichnung »Kloster« wurde gleichwohl tradiert und wird noch heute synonym neben »Gasthaus« verwendet.
Seit der Reformation fungierte das »Gasthaus« entsprechend der 1528 durch den königlichen Landesherren Friedrich I. von Dänemark bestätigten »Gasthausordnung« als Armen- und Altenstift, zudem als Zentrum der Armenversorgung innerhalb Husums.
Heute ist es ein Seniorenheim als Stiftung des öffentlichen Rechts.
Wesentliche Erträge bezieht es aus Landverpachtung.
Das »Gasthaus« wird von vier ehrenamtlich tätigen »Klostervorstehern« mit jeweils achtjähriger Amtszeit verwaltet. Für je zwei Jahre – im dritten und vierten Jahr der Amtszeit – leitet jeder Klostervorsteher den Vorstand als »Speisemeister«, unterstützt durch seine Ehefrau als »Speisemeisterin«.
Der direkt am »Osterende« gelegene Trakt des »Gasthauses« wurde 1878 neu errichtet. Er erhielt eine Fassade im Stil märkischer Gotik. Rückwärtig schließen ein ab 1563 errichteter Flügel mit einer Kapelle sowie Erweiterungsbauten aus den 1950er- und 1970er-Jahren an.
Der westlich des »Gasthauses« gelegene St.-Jürgen-Friedhof ist seit 1965 Eigentum der Stadt Husum (letzte Bestattung 1954). In ihm liegt die Woldsen-Storm-Grabstätte.
Text: Holger Borzikowsky (Husum)
Storm-Woldsen-Grab
Am 4. Juli 1888 verstarb Theodor Storm in seinem Haus in Hademarschen (Holstein).
Die Beisetzung fand drei Tage später in Husum statt, und zwar auf dem im Osten der Stadt gelegenen St.-Jürgen-Friedhof; dort hatte zu Anfang des 19. Jahrhunderts Storms Urgroßvater Friedrich Woldsen († 1811) eine Gruft anlegen lassen.
Sie war zunächst für die Aufnahme von Särgen aus dem Woldsen’schen Erbbegräbnis in der Husumer St.-Marien-Kirche bestimmt, dieses musste anlässlich des Abbruches der Kirche 1807/08 aufgegeben werden.
Das Grabmal auf dem St.-Jürgen-Friedhof birgt eine 3,20 Meter hohe Kammer, deren oberirdisch liegender Gewölbeabschluss durch Granitplatten ummantelt ist; auf ihnen liegen vier aus der alten St.-Marien-Kirche übernommene sandsteinerne Grabplatten.
In der Gruft sind 36 Mitglieder der engeren und weiteren Familie bestattet. Am 24. Mai 1865 fand hier Storms erste Frau Constanze, geb. Esmarch, ihre letzte Ruhe.
An Eduard Mörike schrieb Storm am 3. Juni 1865:
»Nachdem ich mit Freundeshilfe sie […] selbst in ihren Sarg gelegt, wurde sie […] von den Mitgliedern meines Gesangsvereins nach unserer Familiengruft getragen; als die neugierige Stadt erwachte, hatte ich schon all mein Glück begraben.«
Auch Storms zweite Frau Dorothea, geb. Jensen († 1903), liegt in der Storm-Woldsen-Gruft.
Theodor Storms Beisetzung fand am 7. Juli 1888 unter großer öffentlicher Beteiligung statt. Sie wurde jedoch nicht durch einen Geistlichen begleitet,
dies entschied die Familie im Sinne der Schlussverse von Storms Gedicht Ein Sterbender (1863):
Auch bleib der Priester meinem Grabe fern;
Zwar sind es Worte, die der Wind verweht;
Doch will es sich nicht schicken, dass Protest
Gepredigt werde dem, was ich gewesen,
Indes ich ruh’ im Bann des ew’gen Schweigens.
Der Verlust Constanzes warf Storm in eine existenzielle Krise.
»Einsamkeit und das quälende Rätsel des Todes« lasteten schwer auf ihm.
Vom Christentum und der christlichen Hoffnung auf ein jenseitiges Leben hatte Storm sich abgewandt; zugleich ringt er verzweifelt um ein Wiedersehen mit der Geliebten nach dem Tod.
In dieser Situation entstand der Gedichtzyklus Tiefe Schatten, in dem es heißt:
Markverzehrender Hauch der Sehnsucht,
Betäubende Hoffnung befällt mich,
Aber ich raffe mich auf,
Dir nach, dir nach;
Jeder Tag, jeder Schritt ist zu dir.
Doch, unerbittliches Licht dringt ein;
Und vor mir dehnt es sich,
Öde, voll Entsetzen der Einsamkeit;
Dort in der Ferne ahn ich den Abgrund;
Darin das Nichts. –
Die Lösung des Konfliktes sah Storm in der Hinwendung zu einem bewussten und tätigen Leben im Diesseits:
Aus dem seligen Glauben des Kreuzes
Bricht ein andrer hervor,
Selbstloser und größer.
Dessen Gebot wird sein:
Edel lebe und schön,
Ohne Hoffnung künftigen Seins
Und ohne Vergeltung,
Nur um der Schönheit des Lebens willen.
[Hinzugefügt Carl-Huter-Zentral-Archiv, Husum]
Text: Holger Borzikowsky (Husum)
Hademarschen (1880–1888)
Theodor Storm lebte die letzten 10 Jahre seines Lebens im holsteinischen Hademarschen, einem knapp 70 km von Husum entfernten beschaulichen Dorf. Hier schuf er sich »sein eigenes, geheimes Husum mit Tee am Nachmittag und Gespenstergeschichten am Abend«, vor allem aber ein grünes Gartenidyll, von dem die junge Besucherin Hermione von Preuschen berichtet: »Welch gemütliche Stunden erlebten wir in dem lauschigen Garten, wenn der Dichter mit seiner leisen Stimme allerhand ›selbsterlebte‹ Spukgeschichten erzählte.«
Für die Umsiedelung nach Hademarschen waren mehrere Gründe ausschlaggebend. Storm schreibt in einem Brief: »Den ersten Antrieb gab ein angenehmer Ferienaufenthalt hier im Hause des nach mir kommenden Bruders Johannes, des großen Holzhändlers, und der Wunsch meiner Frau, mit dessen Frau, ihrer sehr geliebten Schwester, zusammen das Leben auszuleben. Dann war ein schön gelegnes Grundstück zu Kauf«. Schließlich »zog Eins nach dem Andern; die sehr anmuthige Gegend, dabei die Eisenbahnstation vor der Thür, näher an Kiel u. Hmbg., als Husum, das viel wohlfeilere Leben für einen Pensionierten etc. Genug, ich bin jetzt hier und hoffe von hier aus noch Vieles zu bestreiten«.
Storm schuf in seinem »Altersparadies« sein bedeutendes novellistisches Spätwerk. Dazu zählt nicht nur Der Schimmelreiter, sondern dazu zählen auch Novellen wie Zur Chronik von Grieshuus oder John Riew’.
Literatur: Hartmut Schalke: Dass es doch immer wieder Rosen gibt. Theodor Storms letzte Jahre in Hademarschen und Hanerau. Wewlsfleth 2012.
Termine Storm-Jahr 2017 in Hademarschen
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Schlossgarten
Storm-Denkmal im Schlossgarten
»In unserem zu dem früher herzoglichen Schlosse gehörigen, seit Menschengedenken ganz vernachlässigten ›Schloßgarten‹ waren schon in meiner Knabenzeit die einst im altfranzösischen Stile angelegten Hagebuchenhecken zu dünnen, gespenstischen Alleen ausgewachsen; da sie indessen immerhin noch einige Blätter tragen, so wissen wir Hiesigen, durch Laub der Bäume nicht verwöhnt, sie gleichwohl auch in dieser Form zu schätzen; und zumal von uns nachdenklichen Leuten wird immer der Eine oder Andere dort zu treffen sein.« (LL 2, S. 378) So leitet Theodor Storm seine zuerst 1876 gedruckte Novelle Aquis submersus ein.
Im östlichen Teil als Baumgarten angelegt, enthielt der Husumer Schlossgarten im Westen nördlich des Schlosses und seines Vorwerks noch Reste eines streng axialsymmetrisch ausgerichteten Wegesystems, das vermutlich gegen Ende des 17. Jahrhunderts nach französischen Vorbildern entstanden war.
Im Jahre 1878 erwarb die Stadt Husum den westlichen Teil des Gartens vom Preußischen Staat und ließ ihn unmittelbar darauf nach Gestaltungsprinzipien des ›Englischen Landschaftsgartens‹ umformen. Heute ist das gesamte Gartenareal Eigentum der Stadt Husum.
Berühmt ist der Garten durch seine im Frühjahr weitflächig erscheinende Krokusblüte. Die Krokusart ist nicht ursprünglich heimisch, es ist ›Crocus napolitanus‹, der eingeführt worden ist, möglicherweise aus Italien, wo er zum Beispiel im Süden und in der Toskana wildwachsend vorkommt. Die Gottorfer Herzöge sammelten fremde Pflanzen in ihren Gärten, vielleicht ist die Art auf diese Weise im 17. Jahrhundert in den Husumer Schlossgarten gelangt. Die flächenhafte Ausbreitung zu einem ›nordischen Blütenwunder‹ begann erst im frühen 20. Jahrhundert.
Am 14. September 1898 wurde im Schlossgarten eine auf einem roten Granitpfeiler postierte Porträtbüste Theodor Storms aus Bronze enthüllt. Geschaffen hatte sie der 1855 in Husum geborene Bildhauer Adolf Brütt, der es zu einer erfolgreichen Karriere im wilhelminischen Deutschland gebracht hatte († 1939). Von den Kindern Storms wurde eine »überraschende Lebenswahrheit« der Büste festgestellt, die allein nach Porträtfotografien entstanden war.
Text: Holger Borzikowsky (Husum)
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