Geheimnisvolle UnterstützerInternationale Solidarität für die AfD
Ein mysteriöser Verein macht teure Wahlwerbung für die AfD. Spuren führen zu Nationalisten im Ausland.
Wer steckt dahinter? Und wer hat das Ganze enthüllt?
24.04.2017, von FRIEDERIKE HAUPTIn den nächsten Tagen werden Millionen Deutsche eine Gratiszeitung im Briefkasten finden: das „Extrablatt“.
Es wirbt dafür, bei den beiden kommenden Landtagswahlen die AfD zu wählen. Die Auflage ist so hoch, dass sie keiner ignorieren kann: 400.000 Stück in Schleswig-Holstein, 2,6 Millionen in Nordrhein-Westfalen.
Plakatwerbung kommt dazu.
Großes Thema der Kampagne ist das „Staatsversagen in der Asyl-Masseneinwanderung“.
So heißt es in einer Pressemitteilung des Vereins, der die Werbung unters Volk bringt:
der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“.
Der Vorsitzende, David Bendels, wird die Pressemitteilung über seinen Verteiler jagen.
Als er sie dieser Zeitung schon einige Tage vorab mailte, als Antwort auf Fragen zum „Extrablatt“, fügte er ungefragt Fotos von sich bei:
„Sollten Sie für Ihre Berichterstattung ein Foto von mir verwenden wollen, so können Sie gerne eines der Fotos anbei nutzen.“ Das Problem ist nur: Er, der Vereinsvorsitzende, ist nicht der Mann, um den es geht. Das sollen bloß alle denken.
Der Verein verbirgt, wer hinter seiner Werbung für die AfD steckt – und wer sie bezahlt.
Es geht um sehr viel Geld.
Bisher verteilte der Verein sein „Extrablatt“ vor fünf Landtagswahlen, zuletzt im Saarland. Dazu buchte er für Hunderttausende Euro Plakatflächen.
AfD-Politiker freuten sich, beteuerten aber, sie wüssten nicht, wer ihre Gönner seien.
Der Verein selbst teilt immer nur mit, er bekomme „Spenden von Unterstützern“.
Doch wer sind die? Wer das rausfinden will, spielt ein Spiel:
Auf dem Tisch steht eine Kiste, niemand weiß, was drin ist. Es kommen aber, wenn man dagegenklopft, seltsame Geräusche raus. Bei jedem Klopfen andere. Das Ding in der Kiste verstellt seine Stimme. Und wenn es Angst kriegt, stellt es sich tot.
Spur in die Schweiz
Wer klopft, stört. Der Verein hat darum Vorkehrungen getroffen. Er hat seinen Sitz in Stuttgart; so steht es im Vereinsregister und auf seiner Internetseite. Dort findet sich seit einigen Monaten auch die genaue Anschrift: Julius-Hölder-Straße 36. Das ist allerdings eine Tarnadresse.
Wer 220 Euro im Monat zahlt, kann sie bei der Firma „office management stuttgart“ als Geschäftsadresse buchen. Dafür darf er die Anschrift verwenden, auch auf seinem Briefpapier, und bekommt alle Post ungeöffnet an seine echte Adresse weitergeschickt.
Im Falle des AfD-nahen Vereins leite man alles weiter an „ein Postfach in der Schweiz, in Andelfingen“, sagt eine Stuttgarter Mitarbeiterin am Telefon. Mehr wolle sie dazu nicht mitteilen. Der Verein habe keinen Telefonservice gebucht.
Ein Postfach in der Schweiz, in Andelfingen, nutzt auch die Schweizer PR-Agentur Goal AG als ihre offizielle Anschrift.
Geschäftsführer Alexander Segert ist bekannt geworden durch seine Kampagnen für die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei. Auch für die österreichische FPÖ arbeitete er. Im vergangenen Herbst nahm Segert an einer Dampferfahrt für Sympathisanten des AfD-Unterstützer-Vereins in Berlin teil.
„Privat“, wie er sagte, als ihn ein Journalist vom „Spiegel“ unterwegs ansprach. Nicht sehr glaubwürdig: Eine Mitarbeiterin von Segerts Agentur hatte das Boot gebucht. Es gibt noch mehr Hinweise darauf, dass Segert sich durchaus dienstlich um den Verein kümmert. Das soll bloß, Stichwort Kiste, niemand sehen. Das wissen auch seine Helfer.
„Ein weiterer Herr, dessen Namen ich vergessen habe“
Manche Helfer stellen sich allerdings tolpatschig an. Ihr Versuch, Segert unsichtbar zu machen, rückt ihn, nicht ganz unkomisch, überhaupt erst ins Licht.
Ein Beispiel:
Vor einigen Monaten trafen sich Abgesandte des Vereins mit Leuten der rechten Denkfabrik „Studienzentrum Weikersheim“. Sie wollten über eine mögliche Zusammenarbeit sprechen.
Treffpunkt war die „Bibliothek des Konservatismus“ in Berlin.
Das Gespräch verlief erfreulich, im Frühjahr hielt man gemeinsam eine Tagung ab, bei der Thilo Sarrazin auftrat. Im „Extrablatt“ fürs Saarland wurden zwei Artikel von Präsidiumsmitgliedern des Studienzentrums abgedruckt, was auffällt, weil sonst fast alle Namen im Impressum Pseudonyme sind. Aber Jost Bauch und Karl Albrecht Schachtschneider sind echt.
Frage: Wer war bei dem Treffen in der Berliner Bibliothek dabei?
Schachtschneider zählt auf: er selbst, sein Kollege Bauch, dann der Geschäftsführer ihres Studienzentrums, Daniel Tapp, sowieso vom Verein dessen Vorsitzender Bendels „und noch ein weiterer Herr, dessen Namen ich vergessen habe“.
Kollege Bauch beschreibt die gleiche Konstellation, hat ebenfalls den Namen des weiteren Herrn vergessen, erinnert sich aber, dass der aus der Schweiz gekommen sei. Geschäftsführer Tapp wisse den Namen garantiert.
Tapp sagt am Gründonnerstag, er wisse, um wen es gehe, habe den Namen des Herrn aber gerade nicht parat. Auf die Frage, ob nicht Aufzeichnungen, E-Mails oder so etwas seiner Erinnerung auf die Sprünge helfen könnten: doch. Ob er nachschauen könnte? Ja, nach Ostern.
Bündnis rechtspopulistischer Parteien
Der Vereinsvorsitzende Bendels sagt unterdessen, er „glaube“, außer ihm sei niemand vom Verein mit gewesen. Um sicherzugehen, müsse er in seinem Kalender nachsehen.
Dort steht, wie er einige Minuten später verkündet, kein Teilnehmer des Vereins außer ihm selbst. Tapp, zurück aus dem Osterurlaub, sagt, er habe „noch mal mit Herrn Bendels gesprochen“ und müsse sich, Schachtschneider und Bauch korrigieren, da sei niemand außer Bendels gewesen, nur zur Begrüßung ein Bibliotheksmitarbeiter, dessen Name nichts zur Sache tue.
Bauch, darauf angesprochen, wird die Sache anscheinend unangenehm, er nennt Bendels einen „jungen Schnösel“, die Zusammenarbeit „punktuell“ und erinnert sich nun, der geheimnisvolle Teilnehmer sei ein „Mann von einem Schweizer PR-Büro“ gewesen, der bei dem Treffen eine „moderierende Rolle“ eingenommen habe.
„Er hat wohl verschiedene Auftraggeber und Geldgeber.“ War sein Name Segert? „Das kann sein.“
Segert selbst will nichts dazu sagen. Auf die Bitte um ein Telefonat antwortet er nur kurz: „Alle Fragen zum Verein beantwortet Ihnen sicher gerne dieser selber.“ Eine Mail mit Fragen, unter anderem zum Treffen in Berlin, lässt er unbeantwortet. Ebenso Fragen zu seiner Agentur.
Doch Segert hinterlässt Spuren im Internet. Wahrscheinlich, ohne es zu merken.
Einige dieser Spuren hat ein Mann verfolgt:
Florian Wagner, 35, zu Hause in einer Kleinstadt auf dem platten Land, politisch interessiert, von Beruf Systemadministrator, liebste Arbeitszeit: nachts. Nach einem Bericht über den AfD-Unterstützer-Verein in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vor einigen Monaten war er neugierig geworden. Wagner recherchierte weiter – mit seinen Mitteln.
Er schaute sich IP-Nummern an und ihre Verbindungen zu Domains, er verglich Server und durchforstete Quellcodes. Was er machte, ist legal.
Was er fand, ist ein internationales Netzwerk. Im Zentrum stehen Verbindungen zwischen dem AfD-Unterstützer-Verein, Segerts PR-Agentur und einem Bündnis rechtspopulistischer Parteien:
der „Bewegung für ein Europa der Nationen und der Freiheit“. Darin sind unter anderem der Front National und die FPÖ organisiert. Die Bewegung stellt eine Fraktion im EU-Parlament; einer ihrer Abgeordneten ist der AfD-Politiker Marcus Pretzell, Ehemann der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry.
Angriffe aus Russland
Florian Wagners Erkenntnisse stießen auf unerwartetes Interesse. Speziell im Ausland.
Das fiel dem jungen Mann auf, nachdem er seine Beobachtungen in einem Diagramm zusammengefasst und auf seinen Blog „crumblingwalls.net“ gestellt hatte. Dort schreibt er hin und wieder etwas, meist über IT oder Netzpolitik. Wenige Tage nachdem er das Diagramm veröffentlicht hatte, bemerkte er Zugriffe auf die Editier-Funktion des Beitrags – an die eigentlich nur er selbst rankommt.
So etwas hatte er noch nicht erlebt. Die IP-Nummern stammten aus Moskau, Jekaterinburg, Rostow am Don, Kasan und St. Petersburg.
Wagner registrierte unter anderem drei Zugriffe zur selben Sekunde; ein Hinweis darauf, dass keine Einzelpersonen am Werk waren, sondern „ein Computer mit mehreren virtuellen Maschinen“, wie Wagner vermutet. Sein Blog hielt stand.
Was interessierte die russischen Besucher so sehr?
Wagner hatte seinen Eintrag betitelt mit „Die Europa-Connection der AfD“. Wenn er davon erzählt, was er recherchiert hat, tut er das ruhig und vorsichtig.
Oft sagt er „weiß ich nicht“ oder „das müsste man noch rausfinden“ oder „das sei mal dahingestellt“. Auf seinem Computer hat er säuberlich Ordner angelegt, in denen er Screenshots zu seinen Entdeckungen archiviert. Für alle Fälle. Zwei Verbindungen findet er besonders interessant.
Zum einen, dass Segerts Agentur offenbar für die nationalistische „Bewegung für ein Europa der Nationen und der Freiheit“ tätig ist.
Auf Segerts Namen, unter Nennung der „Goal AG für Werbung und Kommunikation“, sind zwei Domains registriert: „menf.org“ und „fenl.org“.
Die erste führt zur offiziellen Internetseite der Bewegung, die zweite weist auf deren Stiftung hin.
Die offizielle Seite der Stiftung ist „fenl.eu“. Dort gibt es kein Impressum.
Dafür einen Blog, in dem Beiträge anonym veröffentlicht werden; im Quelltext findet sich der Name eines Administrators: „goal-fen1-adm1n“. Goal wie die Werbeagentur Goal AG.
Verdächtige Servergröße
Zum anderen zeigt Wagner, dass es Verbindungen gibt zwischen dem AfD-Werbe-Verein und dem europäischen Nationalistenbündnis. Ihm ist aufgefallen, dass die Seite des Vereins, „rechtundfreiheit.de“ auf einem besonderen Server liegt.
Nämlich auf einem, den der Anbieter seinem Kunden exklusiv zur Verfügung stellt. Das ist teurer als das übliche Verfahren, bei dem sich viele Kunden einen Server teilen.
Ein derart teurer, leistungsfähiger Server wird in der Regel dann gebucht, wenn aufwendige Rechenleistungen und sehr viele Zugriffe gleichzeitig erwartet werden.
Was will ein kleiner Verein damit, der angeblich von einer „Handvoll“ Bürger gegründet wurde und brav seine paar „Medienmitteilungen“ – übrigens ein schweiztypischer Ausdruck, in Deutschland ungebräuchlich – ins Netz stellt?
Wagner hat eine Vermutung.
Auf dem exklusiven Server liegt nämlich noch eine weitere Seite: Sie ist ein Ableger der Seite „fenl.eu“, eine sogenannte Subdomain, und führt zu einem Anmeldeformular für Tagungen der Nationalisten-Stiftung.
Es wurde zum Beispiel genutzt für ein Kolloquium, das die belgische Partei Vlaams Belang im März 2016 veranstaltete, Stargast war Geert Wilders.
Und für eine Tagung im Mai 2016 in Paris, dorthin kam Marine Le Pen. Für die Pariser Tagung war auch Alexander Segert als Besucher akkreditiert.
Und noch eine Verknüpfung gibt es:
Die Domains „fenl.eu“ und „fenl.org“ nutzen für ein Verfahren, das Spam abwehren soll, eine bestimmte IP-Nummer: die, die auch der AfD-Unterstützer-Verein hat.
Wagner schließt daraus, dass der Vereinsserver auch von der europäischen Stiftung der Rechtspopulisten genutzt werden sollte oder soll.
Und zwar nicht nur, wie bereits geschehen, für ein einzelnes Kontaktformular. Deswegen sei wohl der Server „eine Nummer größer“ gekauft worden.
Einzige Reaktion: Schweigen
Was heißt das für den Verein, der in Deutschland das „Extrablatt“ verteilt?
Jedenfalls so viel:
Politische Kräfte nicht nur in Deutschland wollen, dass er erfolgreich für die AfD wirbt.
Das passt dazu, dass die nationalistischen Kräfte in Europa sich immer stärker vernetzen.
Nicht nur untereinander, sondern auch mit Unterstützern etwa aus Russland, denen alles recht ist, was die Europäische Union schwächt.
Moskau gewährte dem Front National vor drei Jahren einen Millionenkredit, Le Pen lobt Putin bei jeder Gelegenheit, die französischen Geheimdienste trafen Vorkehrungen, um russische Einmischung in den Wahlkampf zu verhindern.
Die Frage, ob die „Bewegung für ein Europa der Nationen und der Freiheit“ oder deren Stiftung den AfD-nahen Verein unterstützen und, wenn ja, auf welche Weise, bleibt.
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat sie am vergangenen Dienstag schriftlich an den Parteivorsitzenden der Bewegung, Jean-François Jalkh vom Front National, und an den Präsidenten der Stiftung, Gerolf Annemans vom Vlaams Belang, gerichtet, mit Bitte um Antwort binnen zwei Tagen. Die Reaktion: Schweigen.
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